Sonntag, 10. August 2008

Museum of Innocence

Die beiden Männer erschienen vor der mächtigen Kulisse der Felsenreitschule unfreiwillig reduziert auf ein höchst bescheidenes menschliches Maß.

pamuk

Sich eine Verbindung zur intimen Geschichte über Liebes- und Objektbesessenheit zu verschaffen war in dieser Raumunendlichkeit nicht leicht, und der Eindruck, es handle sich nicht eigentlich um den Dichter zu Gast, sondern eine in pompösem Rahmen inszenierte Promotion für dessen neuen Roman, ließ sich nicht wegschieben.

Helmut Lohner las einige Passagen aus der deutschen Übersetzung vor, aber seine schnarrende Stimme und der immer ein wenig auf Effekt bedachte Tonfall mochten atmosphärisch so gar nicht zu dem Text passen, in den man bereits gefallen war dank Pamuks von immer feinem Lächeln begleiteter eigener Worte zu den 600 Seiten, in eigenwilligem Englisch und endlos mäandernden Sätzenvorgetragen, in deren Fluss man am liebsten geblieben wäre.

Will man nun wissen, wie es zu den 4213 gesammelten Zigarettenkippen kam und zu all den anderen Objekten aus der Berührungsnähe der Geliebten? Bei gebackenem Kalbskopf und Veltliner im Garten der Blauen Gans gerieten Frau S. und ich allzu schnell vom Thema des Nachmittags zu eigenen Obsessionen. Und die Philharmoniker warteten auch schon.

Mensch, also Bösewicht

-Sono scellerato
Perché son uomo


singt Jago, sich zum Dämon von eigenen Gnaden stilisierend (aber im Showdown dann eine höchst lächerliche, nur mehr stammelnde Figur abgebend), während Otello durch die starre Kulisse taumelt, zu zart die Stimme, um sich über den doch so weich und dunkel gefärbten Klang des Orchesters zu erheben. Liebe, Raserei, Eifersucht - die großen Gefühle erstarren in einstudierten Bewegungen, als wären sie nie selbst gefühlt worden, als wäre der Sänger diesbezüglich noch unbeschrieben; ja, junge, noch wenig beschriebene Kräfte habe sich Muti hiefür geholt, war zu lesen. Starr auch die Personenführung, statisch die Chöre, die venezianische Wollüstigkeit der Kostüme erstickt im Halbdunkel der Bühne, in der Steife der Choreographie, und als im hinterhältig vertraulichen Zwiegespräch Jago-Cassio die beiden immer dann zu einem festgefrorenen Filmkader werden, wenn der verborgene Otello das Gehörte kommentiert, wird die ungeschickte statische Gewolltheit der Inszenierung, die da ins Lächerliche gleitet, überdeutlich.

Die zarte Transparenz der Vorspiele zum dritten und vierten Akt, die plakativ in unschuldiges Weiß gekleidete, auch stimmlich fließende Desdemona stimmen nur vorübergehend milde, der Abend bleibt als Unbehagen hängen. Die Salzburger Nacht danach ist kühl und menschenleer.

Heute 20:15 3sat

The Killing Hours of Expectation

Eineinhalb Stunden nach dem ersten Erwachen schrecke ich mit diesem Satz aus schwerem Morgenschlaf. Ist er die Beschreibung eines gegenwärtigen Zustandes? Dieser anhaltenden Lähmung, die allgemein verständlich als Ich genieße nach Monaten der permanenten Anspannung meinen Sommer kaschiert wird, dass ich's bald selbst glaube, dass es so sei. Doch wo nur tu ich's? Ich taumle durch Felsenreitschule und Festspielhaus, ein schwachbrüstiger Otello macht mich traurig, eine dumpfe Kasarowa ebenso, der Kiefer-Pavillon, Minikathedrale und gelegentliche Zuflucht, wird von Unverständigen heimgesucht oder ist gar verschlossen, ich habe einen Abend übrig, Vanessa Redgrave monologisch oder doch die Klanglabyrinthe des Salvatore Sciarrino?

...

Das Haus, das mir sieben Jahre lang Heimstatt war, ist zu einem Mutter-Kind-touristischen Objekt verkommen, der schattige Obstbaumgarten mit der tiefen Mooswiese ein riesiger, kiesbestreuter Platz geworden, niemand stößt sich dran, dass die Klettergeräte hier wohl fehlgestellt sind. Auf der Rückseite des Hauses statt Wiese Wasser, gesammelter Regen auf zerfurchtem, durchgrabenem Untergrund, ein bisschen glücklich bin ich hier doch gewesen, als alles noch anders war? Der mit mir diese Jahre geteilt hatte, ist ungewohnt analytisch, zu dunkel sei es gewesen, die Fenster zu klein, alles beengt und beengend, und ja, sage ich, nur in meinen Träumen, diesen wiederkehrenden, ist alles hell und luftig und offen, als sei's so gewesen.

Wie wir da im Traum über vergangene Träume sprechen, der kurze Dialog als luzide Gegenwart genommen wird, wie er, selbst geträumt, andere zu vergangenen Zeitpunkten tatsächlich stattgefundene Träume referenziert - diese Schichtung von Träumen erstaunt mich noch lange nach dem Wachwerden.

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ulovesexdoll - 2018-12-13 06:51
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Wow, ich mag das Licht und die Anzüge! Vokalmusik ist...
karrri - 2014-06-24 12:18
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uferlos - 2011-10-08 00:28
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lasst mir noch ein bissl zeit. vielleicht gibt es ein...
ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
Was gab's denn so wichtiges anderswo?
rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
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