geschichten von gestern

Montag, 8. Dezember 2008

Fünf: Teifi

Vor zwei Jahren war er noch selbst im Zottelpelz unterwegs, mit einer düsteren, selbstgeschnitzten Perchtenmaske. Der auswärtige Schulbesuch aber hat den Sohn von allen Ritualen daheim entfernt, die Maske hockt schwer oben auf dem Bücherregal. Was empfindet er als daheim? frag ich mich, sie sind keine Kinder mehr hat die neue Gefährtin des Kindsvaters entschieden, die Kinderzuflüchte bei ihm im Haus kurzerhand entfernt, ein Schlafzimmer draus gemacht, in dem nun nicht Kindheitserinnerungen, sondern ihr Krimskrams die Oberhand hat.

Vier: Charlotte

Der Geliebte hatte schon in der Früh die Zweige aus dem Garten geholt.
Aber schön, dass du danach fragst.
Barbara ist ein seltener Name geworden, zu meiner Schulzeit war er noch häufiger anzutreffen. Damals liebte ich Préverts Barbara und alles Französische. Eine falsche Französin und doch untrennbar mit dem französischen Kino verbunden ist Charlotte; sie mit ihrem heutigen Gesicht wiederzusehen versöhnte mich mit der Tendenz meiner Augenlider, an den Seiten zunehmend schwer auf die Augen sich zu legen. Welker Morgen, denke ich zuweilen und finde vor dem Spiegel Mutter wie Vater in meinem Gesicht.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Masturbatieareal

Es begann mit Quetschungen. Ich stand leicht nach vorne geneigt, in der Hüfte schräg gedreht, eine Hand zog erst an der einen, dann der anderen Brust, drückte sie nacheinander auf die Platte, ein Plastikteil presste sich mit großem Druck auf das Wenige, was mein Busen ist; das Luftanhalten für Sekunden schien Minuten zu währen.

Der junge Mann, der sich dann an mir zu schaffen machte, sprach in einer mir größtenteils unverständlichen Sprache. Masturbatieareal murmelte er, während er mit dem Stab durch die glitschige Masse auf meinem Oberkörper glitt.






Es heißt natürlich Mastopathie, aber da ich die routinemäßige Mammographie diesmal nicht im Provinzkrankenhaus, sondern in der Landeshauptstadt hatte machen lassen, bin ich mit sonst nicht kommunizierten Details versorgt worden.

Samstag, 13. September 2008

Wildes Wetter

Die Atmosphäre ist spannungsgeladen. Über dem Stubai leuchtet das wenige noch sichtbare Blau umso intensiver, je dichter sich schwarze Wolkenbänke über der Nordkette zusammenballen. Der sommerwarme, stürmische Wind wirkt in diesem Lichtspiel bedrohlich, als lauere unmittelbar hinter ihm der schreckliche Biß der Kälte.

Eine Wildheit, ungreifbar, wirbelt sich in die abendlichen Abläufe der Stadt, die Menschen blicken fast staunend, ja, sie schauen, wo sie sonst im Alltäglichen gefangen sind. Die Waggons des ICE sind in eigenwilliges Licht getaucht, eine Erwartungshaltung ist zu verspüren, als wären alle offenen Fragen zusammengeworfen und in diesen Zug gelegt worden. "Aufgrund eines Unwetters im Raume Jenbach kann dieser Zug bis auf weiteres den Bahnhof nicht verlassen" tönt es da plötzlich aus den Lautsprechern, die Strecke sei unterbrochen, wird etwas später nachgesetzt, ein Arbeitsteam sei dran, wieder etwas später, alles in brüchigem Tonfall, die Sätze mühsam zusammengestoppelt mit vielen Pausen, wo nach Formulierungen gesucht wird, so stockend vermag ich's gar nicht niederzuschreiben.

Da und dort wird Nervosität laut, ich bin unter denjenigen, die in den Speisewagen wechseln, das Bordrestaurant hat gute Weine in Kleinflaschen, das weiß ich. Robert Weil Riesling, und Zeit, endlich durch die mitgeführte Weinzeitschrift zu blättern. Nach einer Stunde ein nach wie vor düsteres Bild vom Streckenzustand, weiteres Wareten auf unbestimmt, die Zuggäste beginnen miteinander zu reden. Irgendwann wird eine mögliche Zeit für die Abfahrt genannt, zweieinhalb Stunden nach der Planzeit, das nehmen die einen mit Heiterkeit, die anderen mit Resignation. "Ein Schienenersatzverkehr ist angedacht", aber bis wohin müsste der gehen, der Zug soll nach Wien, wie kommt eine gleichwertige Garnitur nach - sagen wir Brixlegg für die Weiterreise? Die Kellner des Speisewagens rechnen ab, machen dicht, lassen die Rollos herunter, sperren ab. Sie verlassen das sinkende Schiff!" ruft einer; ein anderer beginnt zu telefonieren, er habe ein Auto, sagt er, Sie sind auch aus K.?, ich nehme Sie mit!.

Eine Fahrgemeinschaft der Not, vier Fremde, die aber jemanden kennen, der wieder den einen oder die andere kennt, und so wird die Fahrt durch die mittlerweile wieder ruhige Nacht zu einer ausgelassenen Kurzweil, der Linguist und Rhetorikforscher liefert den interessantesten Beitrag: irgendwie kommt das Gespräch auf Afrika, auf die vielen nachkolonialen Staaten und ihre schwierigen Grenzziehungen, um die Unruhen geht es, die Bürgerkriege und die Geldflüsse. Und so kommen wir auch zu den so lange Zeit grassierenden Mails mit Verführung zur Geldanlage; er habe sie zu sammeln begonnen, sagt der Linguist, einige Hundert kamen so zusammen, und er habe die Systematik dahinter untersucht. Auf drei Motive sei er gestoßen: die Habgier-Masche, die mit dem Mitleid und die religiöse Tour. Immer wieder ähnliche Satzbausteine, neu zusammengesetzt, einmal muss jemandem die Kontrolle entglitten sein, da berichtete eine Frau von ihrer bevorstehenden Prostataoperation.

Ich hätte diesen Abend nicht anders haben mögen. Daheim fand ich in der Post eine Einladung zur Sünde in durchdachter Aufmachung: durchs halbtransparente Kuvert sah man nur das Wort Sünde und eine rote Samtschleife. Verführerisch und: Terminkollision.

Mittwoch, 3. September 2008

Überflüssiger Firlefanz

...doch im Augenblick des Sehens unverzichtbar:

firlefanz2

Donnerstag, 3. Juli 2008

ricordi

ricordi-venezia

Venezia, t'abbiamo finalmente mangiato!

Unpassender Wein: Chassagne-Montrachet 2003 Jean-Marc Pillot

Freitag, 13. Juni 2008

Unfreiwillige Fanzone

Da entweich ich für einen Abend dem fanzonenahen Arbeitsplatz und finde meinen Lieblingsperser hinter Absperrgittern! Seitenschauplatz nur, wie sich herausstellte, doch der Ausgleich in letzter Sekunde ließ plötzlich trommelndes, tanzendes Leben auf dem Platz vorm Theater entstehen. Der nächtliche REX dann absolute Fanzone: rotweißrote Gesichter, rhythmisches Tröten und ein Staccato an schlechten Witzen. Zwischendrin die flapsige Anmerkung eines sich besonders durch turnendes Muskelspiel hervortuenden Jugendlichen zur persönlichen Lebensgeschichte: "Vor drei Jahren ham sich die Mama und Papa scheiden lassen, und heut ruaft die Muata an und sogt, dass sie wieda g'heirat hat. I war eh ned zur Hochzeit gangan.", woraufhin er sich wieder nahtlos in seichte Frauenfeindlichkeit stürzt, Witze am Fließband, aber das kurze Glitzern im Aug hab ich gesehen.

Beim gemeinsamen Aussteigen hat er sich entschuldigt, für die vielen schlechten Witze, "mia worn hoid so drüba wengan oans oans". Er hatte ein hübsches, besonders sorgfältig bemaltes Gesicht.

Donnerstag, 5. Juni 2008

Stadt im Fieber

Montag Früh hat sich der zur Verstärkung geholte Koch aufgehängt. Bittere Tränen verschleiern den Kollegen den Tag. Über der Stadt lastet noch immer die schwüle Hitze einer langen Woche, mag nicht aus den Innenräumen weichen.

Der nahende dreiwöchige Ausnahmezustand manifestiert sich in erhöhtem Verkehrs- und Passagieraufkommen. Jeder fünfte Kleinwagen gebärdet sich als Staatskarrosse - Fähnlein im Wind.

In der Zentrale hat eine Beraterfirma das Sagen übernommen. Gewohnte Abläufe sind unterbrochen, der Druck erhöht sich.

Die Frau auf der Steinbank vor den öffentlichen Toiletten ist akkurat frisiert, gar geschminkt, das Gesicht jedoch aufgedunsener denn je, die Augen nur mehr schmale Schlitze. "Du Sau!" brüllt sie mit brüchiger Stimme in die stehende Abendstickigkeit, "du Sau, du bist so deppat!". Der Mann hockt, das Gesicht abgewandt, reaktionslos neben ihr. Das Frühlingslächeln scheint ihnen vergangen.

Der nach dichten Tagen nächtens hereingebrochene Regen kling, als träten die Flüsse über die Ufer.

Montag, 26. Mai 2008

Das erste Eierschwammerl der Saison

... kam aus Rumänien, war klein und knackig und Teil eines Gesamten aus Mariasteiner Lachsforelle mit Flusskrebsen in feinem Gemüsesud mit Artischocken und wildem Spargel; das Gericht selbst wiederum Teil eines gesamten Überraschungsmenüs.

Am Nebentisch wurde lautstark die Überflüssigkeit der Flusskrebse angemerkt, aber es gab auch um den Wein eine ständige Diskussion - hätten sie doch nur auf jenen anderen Teil der Karte geblickt, wo wir unseren 1996 Haut Batailley (zu einem höchst attraktiven Preis) gefunden haben, erotisch sagt der Hirsch und bekommt seine Nase nicht mehr aus dem Glas.

Dennoch waren sie höchst unterhaltsam, die von nebenan, der musikalische Mastermind und der unerbittlichenFinancier von Erl, oft uneins in Entscheidungsfragen, und doch wieder im gemeinsamen Trinken sich verlierend, mit lautstarker Unterstützung der Geldgeber-Gattin; zum Schicksal des abhanden gekommenen Lieblingswirtes meinte der Mastro nur: Der kommt scho wieder, der Otto, bald!

Donnerstag, 1. Mai 2008

Primo Maggio

In Salzburg fuhren die Busse.

Regen und kühle Luft sind für ein paar Abendsonnenblicke gewichen. Das Paar ohne Bleibe sitzt auf der Steinumrandung des struppigen Gebüsches. Auch gestern saßen sie da, Schulter an Schulter und doch voneinander abgewandt, der Mann und die Frau. Der Wein ist ein anderer geworden, statt bordeauxroten Tetrapacks heimischer Provenienz (zumindest der Aufschrift nach) leuchtet schon von weit eine sonnig-gelbe Emballage mit bunter Schrift - Pineapple? Orange? Nein, einfach nur das spanische Pendant aus dem ebenso untersten Alkoholfach.

Und von weit schon schallt scharf entgegen
"Wäu i ka Ontwuat kriag fo dia!
Wäu'st a Drecksau bist!
Wäu'st wos im Schüd fiast ..."
*
aber da bin ich schon vorbei, mir fällt der Montagmittag ein, da hatte sie alleine dagesessen, friedlich und entspannt die Gesichtszüge, ja fast freundlich, als müsse da eine nur kurz innehalten im Stadtspaziergang.

Erster Mai vor 28 Jahren, ein erzwungener Stadtspaziergang, mit dem Gepäck für ein halbes Jahr von einem als Frauenzentrum dienenden alten Palazzo nahe der Piazza Navona bis hinauf zum Bahnhof, auf dem Weg zu einem Studienunterbrechungsjob auf unbekanntem Terrain:

In Rom fuhren keine Busse.

* Dank des Schriftverkehrs mit der Tochter bin ich immer geübter in der Dialekt-Transkription. Keine Gefahr von Entfremdung also, lieber Dr. Schein!

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karrri - 2014-06-24 12:18
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uferlos - 2011-10-08 00:28
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ConAlma - 2011-10-07 11:40
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rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
Erwischt... und Sie fehlen...
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