wortspiele

Montag, 8. November 2010

Der Dadaismus der Flusskrebse

Auch ohne Chinesischkenntnisse dringt zu einem vor, was sich an subversiver Sprachästhetik in China tut:

Wenn eben ein Wort, das von der Macht annektiert wurde wie Harmonie, das eine bestimmte Schreibweise und eine bestimmte Aussprache hat, durch ein anderes, bislang "unbedeutendes" wie Flusskrebse, genauso ausgesprochen, aber mit anderen Schriftzeichen festgehalten, ersetzt wird. Und jeder, der nur einigermaßen in der oppositionellen Szene ist, die Bedeutung zu erkennen vermag. Also auch die Einladung zu einer Flusskrebsparty richtig versteht.

Leider hat die Behörde eingegriffen, der Veranstalter der Party, der Künstler Ai Weiwei, wurde unter Hausarrest gesetzt. Und die Party abgesagt. Geflusskrebst sozusagen. Weil Harmonie bereits auf dem Zensur-Index steht und Aktivisten wie Blogger dann, wenn sie von der Zensur getroffen wurden, sich als harmonisiert outeten - mit geflusskrebsten Schriftzeichen versteht sich!

Es gibt da noch ein paar mit "Hilfe" der Zensur entstandenen sprachliche Feinheiten oder Bilder, die in ihrer Zusammenfügung durchaus dadaistischen Wert haben - wenn Flusskrebse auf Bildern auf einmal drei Armbanduhren tragen. Wobei die Uhren (san ge daibiao) wiederum eine Verballhornung der ideologischen Three Represents von Jiang Zemin sind.

he xie!

Donnerstag, 5. März 2009

Austriazismus

Übersiedlung sei so wunderbar österreichisch, sagt Herr Schneck irgendwann.

Aber wie sonst soll der Vorgang eines Wohnungswechsels bezeichnet werden? Umzug! sagt Herr Sommer, der mir die Folgeerscheinungen austreibt. Ach, denk ich, ich kenne wohl den Faschingsumzug, ja und bei umziehen denke ich an Wein, der von einem Fass in ein anderes befördert wird, zur Klärung und weiteren Reifung. Ja und umgezogen bin ich, wenn ich vom Arbeits- ins Freizeitgwand schlüpfe, von diesem dann ins Negligé, oder wenn ich vom Hochgeschlossenen ins Dekolleté wechsle. Alles andere ist übersiedeln. Unmissverständlich.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Anagramme machen auch vor Offiziösem nicht halt.

Dieses hier ist einfach wunderschön:

O KOMME MIR GERADE DANN EIN SATZ

Künstlergeist wagt sich auch vors Gendarmerieeinsatzkommando.



Dem gestrigen Standard entnommen, leider online nicht gefunden. Der Spruch schwebt so schön auf Wasser.

Montag, 26. Mai 2008

Apostroph

In meiner Sechziger-Jahre-Kindheit gab es eine Radiosendung namens "Sprachpolizei" - Karl Hirschbold, der Autor, hat seine sprachbeobachtende Tätigkeit dann auch schriftlich in der "Presse" fortgesetzt. Ich mochte schon damals diese grundlegende (und auch sehr grundsätzliche) und, wie ich in Erinnerung zu haben vermeine, pointierte Form der Betrachtung von Sprache in ihren Veränderungen und - ja, Inkorrektheiten.

Dass Sprache nichts ist, woran man sich festhalten kann, Sätze nicht das, was sie scheinen, lernte ich in den folgenden Jahren rasch. Aber das ist Inhalt. Nur beim Grundgerüst, der Grammatik, auch der Schreibweisen, die viel mehr Inhalt transportieren als Reformer mit Vereinfachungswillen offenbar glauben, da hab ich immer wieder Schwierigkeiten, Veränderungen oder noch viel mehr Nachlässigkeiten hinzunehmen.

Beim falsch gesetzten Apostroph aber kann ich mich wirklich echauffieren!
Gehäuft tritt es in der Gastronomie auf: von Lokalbezeichnungen bis zu Speisenbezeichnungen schwirrt dieses in der Luft hängende Stricherl in Wörtern herum, wo es nichts zu suchen hat, es soll sogar schon ein Schwein'sbraten gesichtet worden sein. Als Platzhalter für ausgelassene Buchstaben dient es in der Niederschrift von Umgangssprache, aber die Ausgelassenheit, mit der man sich dieses Hilfszeichens bedient, ist (für mich) oft nackenhaarsträubend.

Der Vater - des Vaters: ein lupenreiner Genetiv, der des s bedarf. Aber womöglich ist das Gefühl für den Genetiv abhanden gekommen, vielleicht liegt's (sic!) daran, oder dass der englische Genetiv das Apostroph benützt, father's - was dort stimmt, hätte auch im Deutschen Berechtigung?

Doch bleiben wir bei den Empfehlungen des Chef'sauf der Schiefertafel vor dem Lokal - dort vermisse ich vielleicht nicht mal so sehr die sprachliche Grundbildung; wenn sich ein solch apostrophierter Genetiv aber auf einer literarischen Seite einschleicht, sehe ich, wie unreflektiert der Usus dieses kleinen Zeichens geworden ist!

Dienstag, 1. April 2008

Verleser: Masturbation.

Jetzt hab ich Sie hergelockt, gell? Dabei hab ich mich wirklich verlesen, im Überfliegen der abwesenheitsbedingten ungelesenen Zeitungen. Habe aus Männerbastion die Masturbation gemacht. Nein, eigentlich nur der Bastion ein paar Buchstaben drangelesen. Und bin nochmals zurück, weil mir das keinen Sinn zu geben schien: Bundesheer: Immer mehr Frauen in der Männermasturbation?? Wobei ja auch die Masturbation keine Männerbastion ist. Nicht wahr?

Samstag, 11. November 2006

Wortpflege

Frau Sopran betreibt vorbildliche Wortpflege, die wahrlich Unterstützung verdient - und so hoff' ich für mein Teil, dass mir heut' nichts überzwerch gerät, getrieben wie ich bin!


[going for a Martinigansl]

Mittwoch, 11. Oktober 2006

Wortspiel: auf::schaukeln

Auf der Schaukel: jene Kindheitserfahrung, die schon allerfrühst konditioniert auf ein gleichzeitiges "nicht so fest" (weil es den Atem nimmt) und "noch viel mehr" (weil der Reiz des Fliegens mit nichts bislang Bekanntem gleichzusetzen ist).

Erinnerungen an den Wurstelprater: die Bootsschaukeln, im Stehen mit wenig Aufwand so lange Schwung holen, bis man oben anschlägt und der Inhaber ganz schnell auf die Bretterbremse tritt. Damals gab es auch noch die Loopingschaukeln, die verwegenen jungen Männer und ihre Mädchen, denen die Röcke über den Kopf flogen und das Gejauchze ein viel freieres schien als das Gekreische in den blinkenden Rundummaschinen heute.

Die Schaukel: Erwachsenenspielzeug im Rokoko, die Frivolität der fliegenden Röcke schaukelte die Phantasien hoch, ganz unverbrämt dann die Schaukelbilder des Thomas Rowlandson.

Heute: das Schaukeln im Netz, das Spiel der Sätze, die wiederum mit der Phantasie spielen: Durch Anstöße mit der richtigen Wiederholungsfrequenz kommt es zum Aufschaukeln. Eine Schwingungserregung. Die Gedankenkraft wird dazu verwendet, die natürliche Vorwärtsbewegung zu beschleunigen - mittlerweile beliebtes Sujet auch in belletristischer Literatur, z.B. bei Daniel Glattauer.

Die Erwartungshaltung im Netz ohne Boden ist groß, die Bereitschaft zum Aufschaukeln und Aufgeschaukelt-Werden nicht minder, als gäbe es keine Sturzgefahr. Ein gelegentlich auftauchendes Dilemma (dies nur als sehr dezentes Beispiel über die Unterschiede der Schaukelebenen zu lesen) wird nicht grundsätzlich den Willen zu weiterem Schaukeln beeinträchtigen: es fliegt sich so leicht! Wer mit wem schaukelt, lässt sich nicht immer eindeutig feststellen, auch nicht, ob man nicht schon längst alleine schaukelt, und: geht es denn um mehr als Schaukeln?

Aber: die kleinen feinen Anstöße, die man gibt und erfährt, sie bringen so oft ein sonst nicht vorrätiges Lächeln in den Tag.

Sonntag, 3. September 2006

Wortspiel 2: Zu-Neigung

Man wendet sich zu, zugewandt schaut man, sieht, und neigt sich. Vor. Zu. Hin.

Besonders schön ist es, wenn Zuneigung auch gezeigt werden darf. Nicht versteckt werden muss. Wenn andere daran teilhaben dürfen. Das zaubert Lächeln in die Gesichter, und die Mitfühlsamen neigen sich leichter.

Aber eine Warnung muss ich aussprechen: Gehen Sie im Zustande von Zugeneigtsein allen R aus dem Weg! Den wenn sich ein solches in ihr Zuneigen mischt, könnte dieses schnell zur Neige gehen. Und das wollen Sie doch nicht!

Freitag, 25. August 2006

Wortspiel 1: Zu-Wendung

Ein Satz, an der richtigen Stelle, im richtigen Tonfall: es geschieht ein Aufblicken, Anblicken, Zuhören, Zuwenden. Ein ZU im Sinne eines Öffnens, mit Fingerspitzenschlüssel. Sich Wenden, in Aufmerksamkeit und Körperhaltung: hin. Der Fingerspitzenschlüssel: er berührt.

~~~

Heiter-melancholische Sommerlektüre zu virtueller Zuwendung und ihren Verstrickungen:
Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind.
Keine große Literatur, aber deshalb nicht unwahrer.

~~~

Ein Satz, an der falschen Stelle, im falschen Tonfall: Abwendung.
Achten Sie auf Ihre Sätze, achten Sie sie!

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books and more - 2011-10-07 00:30
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