Freitag, 29. April 2011

Vom Glück, Tochter zu sein

Großes Fest für den Vater. Dr. hc., der erste, der je an der Musikuniversität vergeben wird, er bekommt ihn. Ja, gebührt ihm, nach allem, was in diesen Stunden zu erfahren ist über einen Mann, der mein Vater ist und von dessen Leben draußen, in seinem mit solcher Leidenschaft verfolgten Beruf, der zur nie endenden Berufung wird, ich im Grunde nur wenig wusste. In ausführlichen, leidenschaftlichen Reden, die der Leidenschaftlichkeit dieses Mannes entsprechen, wird ein Bild von ihm ausgebreitet, und was ich erfahre an Neuem, oder was mir an Verschüttetem in Erinnerung gerufen wird, es erfüllt mit mit Respekt und Stolz.
Viele sind da, mehr als erwartet, der große Saal wird zu klein, und manche sind da, die ich seit meiner Kindheit weiß. Nicht kenne, nicht er-kenne, eine verschwommene Erinnerung vielleicht, oder vielmehr ein Gefühl. Mitglieder einer Singgemeinschaft, für die der Vater viel geschrieben hat; es war damals eine Bindung, die über das Berufliche hinausging. Menschen, die sich daran erinnern, wie ich, kleines Mädchen damals, die Stufen zum Souterrainlokal hinunterstieg in Strumpfhosen und Kleidchen, zur Weihnachtsfeier; ich kann mich wohl an den Raum erinnern, ans Dortsein, und an die Auftritte später, bei denen meine Geschwister und ich mit all den anderen Kindern der Chormitglieder teilnehmen durften, in Dirndl und Lederhose, mit der Blockflöte oder was immer uns an musikalischem Ausdruck möglich war. Treue Menschen, stelle ich fest, mit aufrichtiger Freude darüber, dass es uns gibt, dass wir da sind, und vor allem dass er, der Liedschreiber und Motivator, immer noch lebt, und dass er geehrt wird, wie es ihm zusteht.
Einige sind da von seinen Wegbegleitern, viele aber leben nicht mehr, doch ihre Namen fallen, es sind Namen, die ich aus meiner frühen Kindheit gut kenne, ich habe Bilder vor Augen, Wohnungen, in denen wir zugegen waren, damals war offenbar noch Zeit und Möglichkeit, die Familie mit dabei zu haben. Es sind viele Fans da, geradezu Groupies, Damen in bestem fülligen Alter, die seine Radiosendungen liebten, und, weil sie im Getümmel nach der Zeremonie nicht an ihn herankommen, sich an uns Kinder halten, uns mit jenen Komplimenten überschütten, die eigentlich ihm gebührten.
Es sind die früheren AssistentInnen da, Menschen, die mir während meines Studiums vertraut waren, als ich hin und wieder im Institut des Vaters kleine Arbeiten verrichtete, mit einer Freude, die auch daraus kam, dass ich mich der gefühlten Verpflichtung, in seine Fußstapfen zu treten, entzogen hatte, in eine andere Richtung ging, und deshalb mit Neugier und Eifer etwa an einem speziellen Liedanfangsverzeichnis arbeiten konnte - an Verständnis für die Materie fehlte es mir ja nicht. Alle früheren Mitarbeiter sind einen erfolgreichen Weg gegangen, haben nun selbst einen Namen, und wie ich in einer der beiden Laudationes höre, ist dies der intensiven, dem jeweiligen Menschen zugewandten Arbeit meines Vaters zu verdanken: seine Begeisterung war ansteckend, mitreißend, er förderte diese jungen Leute mit ungeheurer Energie über das normale Maß hinaus. Das war sicher nicht immer konfliktfrei, aber offenbar eine der wesentlichen Eigenschaften, die den Vater zum bestmöglichen Lehrer machte. Ich höre von der Bedeutung, die seine berufliche Wegwahl hatte und noch hat; was seine Entscheidung, nicht Komponist zu werden, sondern die musikalische Forschung auf dem Gebiet der Volksmusik zu seinem Anliegen zu machen, ausgelöst und bewirkt hat. Kaum etwas davon war mir je, in dieser Tragweite, bewusst gewesen, so an mich heran gekommen: die Familie befand sich außerhalb dieses beruflichen Lebens, das die Musikakademie als Zentrum hatte. Als ich zu studieren begann, hatte der Vater bereits einen Namen, wurde im Radio gehört und im Fernsehen gesehen, ich nahm seinen Status als selbstverständlich, amüsierte mich sogar in seiner Begleitung über einen Teilaspekt des Bildes, das er nach außen vermittelte, dass mir etwa mein Tochtersein erst nach nachdrücklicher Bestätigung abgenommen wurde, war er doch ein stets von Frauen umgebener Mann gewesen.
Ich sitze mit meinen Geschwistern inmitten der dankbaren, begeisterten, sehr persönlich ergebenen Gästeschar und freue mich für meinen Vater. Ich bin stolz auf ihn, auf das, was als seine Leistung, die einem unbeirrbaren Glauben an etwas erwuchs, da vor uns bildhaft gemacht wird. Und dass so wenig Berührung mit all dem in meinem eigenen Leben war und ist, dass die Intensität, mit der er seinen Schülern den Weg wies, nicht für uns Kinder reichte, dass er ein Leben für sich hatte, das vor der Familie fast verborgen blieb: es ist vielleicht nicht anders möglich gewesen. Da wir im Publikum sitzen, kommen wir auch in seiner Dankesrede vor, in einem Satz, immerhin: dass er im Privaten sehr unverträglich gewesen sei, aber aus den Kindern dennoch etwas geworden sei. Selbst diese kleine Aufmerksamkeit rührt, ich kann es auch in den Gesichtern der Geschwister erkennen, und genügt.

Vater-am-Klavier

Es wird Musik gespielt, doch nicht die erwartbare Volksmusik, sondern Eigenkompositionen, frühe Werke, die er während seines Kompositionsstudiums geschrieben hat, und späte Lieder, manche aus den letzten Wochen. Eine Musik, die auch objektiv gut ist - ich aber liebe sie, weil sie mir vertraut ist; als ich noch klein war und er noch nicht so erfolgreich und Zeit hatte und daheim war, da saß er viel am Klavier und improvisierte, das klang sehr ähnlich. Ein Violinstück war 1952 uraufgeführt worden, der Violinist war Friedrich Cerha, sein Studienkollege, gewesen.
Als wir, die Geschwister und ein erschöpfter, vielleicht glücklicher Vater, dann noch bei einer Flasche Wein sitzen, ist alles gut: er hat ein großartiges Leben gelebt und kämpft mit enormem Willen um jeden Tag mehr, kann von seiner Arbeit nicht lassen, die sein Leben ist, 88 Jahre reichen ihm bei weitem nicht. Und auch uns nicht: die Vorstellung, er könne plötzlich nicht mehr sein, ist kaum denkbar. Ich weiß, wie viel von meiner Identität ich aus diesem meinem Vater ziehe, und bin dankbar dafür. Es fühlt sich gut an, seine Tochter zu sein.

Genau heute ist sein 88. Geburtstag.

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Wow, ich mag das Licht und die Anzüge! Vokalmusik ist...
karrri - 2014-06-24 12:18
einfach nur schön finden...
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uferlos - 2011-10-08 00:28
lasst mir noch ein bissl...
lasst mir noch ein bissl zeit. vielleicht gibt es ein...
ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
Was gab's denn so wichtiges anderswo?
rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
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katiza - 2011-10-06 10:34

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