Elegische Geige*

Ein unlängst stattgefundenes nächtliches Getänzel in Reimen ließ mich doch tatsächlich nach langer Zeit den Geigenkoffer wieder öffnen, sein Platz zwischen Klavier und CD-Regal war auffällig genug, um immer wieder mahnende Anwesenheit zu verspüren. Die Saiten waren kaum verstimmt, a gerade mal einen Viertelton, d und g einen halben, e passte.

Ich fing dort wieder an, wo ich aufgehört hatte, Schubert und Bach. Die Sonate D 384 hab ich so sehr im Ohr, dass ich den Klavierpart mithören kann. Und ich denke an den gestern geäußerten Satz: die linke Hand als Verbindung vom Herzen ins Instrument. Aber es muss auch eine Verbindung zu den Ohren da sein, denn die Finger irren sich kaum. Nur die Rechte, sie sträubt sich noch, ungelenkt führe ich den Bogen, ich überfliege im Geist das Übungsmaterial, das da ist: Küchler, Seybold, Ševčík natürlich. Aber wie sagte mir gestern der stürmische Radfahrer? Nicht üben, spielen! Also spiele ich, und als ich nach dem Schubert noch zu Bach greife, Violinkonzert No.1, hat sich die rechte Hand bereits gelockert, auch die Schulter, und der erste Satz fließt, noch etwas etüdengleich, dahin. Jetzt muss sich nur noch das Kinn gewöhnen.


* Das Buchstabenspiel entstand hier.
derbaron - 2006-10-19 13:39

Uiui, die Küchler-Etüden haben mir damals die Lust am Geigenspielen genommen ... Das Bach-Konzert hab ich zur Matura gespielt und dann meine Violoneur-Karriere beendet. :-)

ConAlma - 2006-10-19 13:41

Sieh mal an, welche Enthüllungen!
derbaron - 2006-10-19 13:50

Ja. :-) Das "Lustige" ist, daß ich diese Etüden komplett verdrängt habe, schließlich ist das schon 20 Jahre her, aber als ich Ihren Text las, gruselte es mich kurz - ich kann Ihren Gedankengang nur zu gut nachempfinden.

Wenn man mich Bach statt der Etüden üben lassen hätte, würde ich die Geige vielleicht noch heute spielen.
ConAlma - 2006-10-19 15:40

Ich hatte das Glück, ein Jahr lang bei Martin Mumelter lernen zu dürfen. Und er hat gleich sondiert: ob es mich zu einer berufliche Ausbildung dränge oder für mich persönlich spielen wolle. Mich drängte damals anderes, es blieb beim Persönlichen, und so gabe es Hindemith statt Etüden ;-)
herold - 2006-10-19 18:12

baron, wie wollen Sie bach ohne etüden spielen? *mitleidigdenkopfschüttle*
Paul Reichenbach - 2006-10-19 14:48

Es freut mich ungemein, dass sie ihre Violine aus dem Kasten nahmen.
Schubert zu spielen, das habe ich nicht geschafft. Bach's
h-moll -Sonate, schwierig genug für mich, war das höchste der Gefühle, die einem späten Anfänger, der ich ich gewesen bin, erlaubt war.

katiza - 2006-10-20 10:00

Und immer neue Qualitäten, verherte Alma...

nicht nur lyrischer auch musikalischer Art - eine Renaissance-Menschin allererster Güte scheint mir.

ConAlma - 2006-10-20 10:27

Danke - und wenn das h nun noch an richtiger Stelle stünde, klänge es nicht so verheerend ;-)

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