WaldWildSee

Ich verließ den großen See und befand mich plötzlich zwischen vielen kleineren, waldumgeben. Vielleicht hätte ich den vor mir parkenden Mann nicht so freundlich grüßen sollen, automatisch, dann wäre mir die Mulmigkeit später erspart geblieben; den Gruß hätte ich, als er ausstieg, ohnehin wieder am liebsten verschluckt, da sah ich erst diesen wenig präzisen Blick, diese ganze große schlacksige unsichere Figur, die hilflos in schweren Schuhen steckenden weißen Beine, eine altmodische kurze Hose, ein Leinenrucksack in den Arm gepresst, trottender Gang. So wie er mich ansah, schien er einer jener zu sein, denen halbwegs erbauliche sexuelle Begegnungen bislang verwehrt waren, wenn es überhaupt jemals etwas in der Art gegeben haben sollte; ein Mensch, in dem sich die Unsicherheiten so aufgetürmt haben, dass die Unruhe des Blickes direkt aus den Ungewissheiten im Inneren zu springen schien.

Da er sich dann aber abwandte und in die Gegenrichtung schritt, dachte ich nicht weiter und ging mit meiner Kamera zu jener Wiese, auf der, steil abfallend zu einem kleinen See, ich am Vortag ein paar Weinstöcke gefunden hatte, ganz junge Reben noch, die blaue Trauben trugen. Einer jener ominösen 99-Stöcke-Weingärten offenbar, die bis zu dieser Zahl als Hobby durchgehen und deshalb rund um den Chiemsee neuerdings in Mode gekommen sind. Danach wollte ich im größeren See gegenüber ein kurzes erfrischendes Bad nehmen, ein Handtuch hatte ich im Auto liegen, im Zurückgehen aber sah ich den Mann von vorhin wieder entgegenkommen, auf der anderen Straßenseite, er sah verstohlen zu mir herüber, ging weiter zu dem See, von dem ich gekommen war, und schien mitder Wiese unten Gefallen zufrieden, er hatte wohl Badesachen im Rucksack.

Ich nahm mein Handtuch, kletterte über die Holzabsperrung neben der Straße und rutschte die kleine Böschung hinunter ans schattige Ufer; die Stelle hatte mir gefallen, weil da ein bequemer Einstieg zwischen dem Schilf zu sein schien. Erst aus der Nähe sah ich die Schlammbrocken am Uferrand, und als ich - nackt, die paar Radfahrer, die mich hätten sehen können, für die Autos war ich zu tief, rührten mich nicht - ins Wasser stieg, fühlte ich den tiefen weichen Boden unter den Füßen, Schlamm und Blätter, erst viel später ausreichende Schwimmtiefe, ich mag doch so weichen Untergrund nicht, ich mag keinen Schlamm, ich mag auch keinen Sand, genausowenig mochte ich Gips, sieben Jahre habe ich mit einem Stuckbildhauer gelebt, seine Werkstatt zu betreten hatte mich immer Überwindung gekostet. Aber das Wasser dann, herrlich, seidig fühlte es sich an, und ich war an einem gänzlich unberührten Ende des Sees, nur auf einem Steg auf der weit weg gegenüberliegenden Seite tummelten sich andere Menschen.

wasser

Im Zurückschwimmen fühlte ich den mir unangenehmen Untergrund, den ich zum Verlassen des Wassers würde betreten müssen, schon lange vorher, als mein Blick sich zur Straße wandte und der Mann mit dem Rucksack wieder zurückkam. Ganz vorsichtig, ohne ein Schwimmgeräusch zu machen, glitt ich hinter die Abschirmung der Bäume am Ufer, ich wollte nicht, dass er mich sähe, er könnte dann vielleicht nachschauen, würde die Kleidung am Ufer entdecken, nicht dass ich wirklich ängstlich war, mir könne etwas geschehen, aber ich wollte keine Komplikation des Tages, der bis dahin so wundervoll gewesen war, ich wollte keinen möglicherweise verwirrten Menschen in seiner Unbeholfenheit ertappen, wollte ihm ein Exponieren ersparen, und so hielt ich mich während seines Vorübergehens immer im Sichtschutz der Zweige. Erst nach einem weiteren Zögern wagte ich mich ans kurze steile Ufer, der Schlammgrund hatte für diesen Moment seinen Schrecken verloren, ich hüllte mich schnell in das Handtuch, schnappte die Kleidung und huschte barfuß über die Straße zum Auto.

Ich war froh, es nach dem Fotografieren umgeparkt gehabt zu haben, so stand ich nicht mehr hinter dem des Rucksackmannes, der aber war inzwischen schon eingestiegen und losgefahren. Als ich die Autotür öffnen wollte, sah ich, was die wirkliche Bedrohung dieses Ortes war: ein Schwarm von Gelsen, groß und blassgrün, schien aus dem Nichts gekommen zu sein; es gelang mir einzusteigen, ohne eine einzige mitzunehmen. Etwas mühsam kleidete ich mich im stickigen Auto an und wagte erst nach einigen Metern Fahrt das Fenster wieder zu öffnen.

Einige Kilometer und wunderschöne Landschaftsblicke weiter, als ich gegen die schwarzen Gewitterwolken fuhr und keine Fragen hatte, weil nichts auf mir lastete und ich ohnehin überzeugt war, dass alles Wesentliche rechtzeitig zu meiner Kenntnis käme, da stand sie plötzlich da:

antwort

Erst ein Anruf viel später war eine gewichtige Frage auf. Für die Antwort darauf werde ich viel Zeit und Rat benötigen.
katiza - 2007-08-20 07:08

Auch so eine,

die immer grüßt -zumindest draußen in der Natur, liebe ConAlma? Mir scheint auch, dass diese Höflichkeit aus Kindertagen in den letzten Jahren fast schon gefährlich wird, die einen erschrecken, die anderen wissen oft nicht wie damit umgehen.
Wie schön zu wissen, dass es Antwort gibt - zumindest im Kreis Rosenheim.

walhalladada - 2007-08-20 12:57

Es gibt erfahrungsgemäß nur noch einen natürlichen Ort, wo die schöne Sitte des Grüßens nicht Verunsicherung schafft: den Friedhof...

kubse - 2007-08-20 16:26

Und doch tät ich mir wünschen, dass die Verunsicherung, die da und dort mal auftreten kann, die selbstverständliche Freundlichkeit nicht zu erschüttern vermag, liebe Frau Alma!
twoblog - 2007-08-21 10:00

Können Hirsche denn eigentlich auch schwimmen?

ConAlma - 2007-08-21 13:37

Hirsche, die von Liebe überschwemmt werden, tun gut daran, schwimmen zu können.

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