gehört

Freitag, 22. April 2011

Karfreitag. Dass Stille sei.

Ich bin gegangen, weiter als ich dachte dass es sei. Am Fluss entlang, im noch kühlen Morgen, sah die wilden Erdbeeren blühen und einen Biber gelassen gegen den Strom schwimmen. Eine Stunde, dachte ich, doch es wurden zwei, aber als ich ankam, war es wieder nur eine, denn da war die Sonnenuhr mit Echtzeit.

sonnenuhr

Karfreitag ist der stärkste Tag, sagt der Wirt im Gasthof nah der Grenze, es kommen die Feiertagsflüchtlinge von jenseits des Flusses und die Herren, denen der Mittag nicht reicht und die noch den Abend dranhängen und am Vortag auch schon da gewesen sind. Das irritiert mich, dabei führe ich doch gar kein katholisches Leben, aber etwas ist anders an diesem Tag, vielleicht sind es auch nur die fehlenden Glocken. Eine Stille, die spürbar ist. Noch viel stiller müsste es sein, sagt Thomas Daniel Schlee, der zugegeben sehr gläubige Komponist der Kirchenoper „Ich, Hiob“; selbst Musik zu hören sei schon zu viel. Ich aber höre, höre Kurt Azesberger singen, eine unglaubliche Partie, minutenlang nur Stimme. Was zuvor aber zwei Stunden Wegzeit waren, sind nun, im Auto, nur noch 15 Minuten; ich war gegangen, um das Auto zu holen, das ich am Abend zuvor ganz vernünftig hatte stehen lassen. Für den Rest des Tages ließ ich es still sein.

Samstag, 12. März 2011

Ins Klatschen fallen

Wenn ihr mir mit dem Klatschen ins Dirigieren fallt, dann falle ich euch mit meinem Dirigieren in euer Klatschen, scheint sich Christian Thielemann gedacht zu haben, als er gestern nach der Pause aufs Pult sprang und noch in den Auftrittsapplaus hinein zu dirigieren begann. Die Gestik dieses großgewachsenen Mannes ist eigenwillig, er arbeitet fast nur aus dem Ellenbogen und fabriziert doch elegante, fließende Bewegungen aus dem Handgelenk heraus, immer den Taktstock in der Hand. In den Schultern aber bleibt er seltsam steif, stattdessen nimmt er, wenn mehr Eindringlichkeit und Kraft gefordert sind, gleich den ganzen Oberkörper, beugt ihn vor und zurück, je fordernder, desto tiefer.
Die Arme meist nah am Körper, dieses aufrechte Beugen und gleichzeitig das weiche Kreisen im Handgelenk, ein merkwürdiger Kontrast, Liegestütz mit an den Körper gelegten Oberarmen, schießt mir ein unpassendes Bild vor Augen.

Im zweiten Satz der Siebten Symphonie Beethovens geht er zunächst tief in die Knie, das ist weit bei einem so langen Menschen wie Thielemann sehr weit, und die Münchner Philharmoniker folgen ihm da hinunter, ganz zart beginnt das Schreiten des Ostinato, ein stilisierter Trauermarsch, ruft Ergriffenheit hervor, wird nach und nach drängender, bevor der Satz in einem unvermittelten Bruch, wenn aus der Bratsche plötzlich ein zweites Motiv hart und klar und fast schrill hervortritt, in ein Tänzeln übergeht.
(Thielemanns Interpretation ist auf youtube leider nicht verfügbar) 


Ach und der dritte Satz (ist oder war der Beginn dieses Satzes nicht auch eine Signation? Und immer wieder faszinierend darin diese eine Stelle, wo der Klang von links nach rechts eilt und wieder zurück, eine filigrane Räumlichkeit entsteht) - da gerät Thielemann, vielleicht beflügelt durch das Musizieren mit Hélène Grimaud - in eine geradezu ausgelassene Laune, hüpft plötzlich auf einem Bein und nimmt das Orchester so mit, dass sie wie aus einem Guss werden. Im furios begonnenen vierten Satz sieht man nur mehr Stäbe hoch, Bögen wie Dirigentenstab  gegen das Schwarz der Anzüge leuchtend und Bewegung allenthalben, wie eine kollektive Turnübung. Der nahende Abschied von München intensiviert, so möchte man vermuten, das gemeinsame Tun, der Applaus fiel prompt in den letzten Ton hinein.

Vor der Pause aber Beethovens Fünftes Klavierkonzert, ein wohl bekanntes, viel gehörtes Stück. Mme Grimaud erscheint in schwarzem Anzug, mit hohem Kragen und weiten Hosenbeinen, keine Primadonna, vielmehr unscheinbares Mädel, das erst mit dem Klavierspiel ein Leuchten bekommt. Auf das muss man freilich etwas warten, der Anfang gerät merkwürdig metallisch-hallend, wie gefangen scheint sie in den endlosen Trillern. Aber nach und nach entsteht ein übereinstimmendes Zusammenspiel, und man weiß nicht, folgt sie (Hélène) ihm, oder er (Thielemann) ihr. Ovationen der Sympathie für die Pianistin, und der obligate Blumenstrauß - warum nur müssen die in Konzerten überreichten Sträuße von solcher Hässlichkeit sein?
Ganz am Beginn des Konzertabends standen die Haydn-Variationen von Johannes Brahms, ein vergnügliches Werk in 10 kurzen Sätzen, die so von musikalischem Witz durchzogen sind, dass man meinen könnte, die heitere Landschaft um den Starnberger See, an dem dieses Stück entstanden ist, und der den Bayern zu eigene Humor hätten da hinein gewirkt. Es lag aber auch am Dirigat des Christian Thielemann, dies alles zuvörderst zu bringen. Er wird mir tatsächlich fehlen in München.

Konzert vom 11.03.2011 in der Münchner Philharmonie
Programm:
Johannes Brahms, "Haydn-Variationen" B-Dur op. 56a
Ludwig van Beethoven, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73
Ludwig van Beethoven, Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 
Christian Thielemann, Dirigent
Hélène Grimaud, Klavier

Mittwoch, 23. Februar 2011

El cavaller de la rosa

Heut Abend bin ich mit dem Rosenkavalier nach Hause gefahren. Der Walzer aus der Suite macht mich jedes Mal so überdreht-glücklich, dass ich nichts als tanzen und wirbeln will und alle Marschallinnen-Tugend vergessen.

Zugegeben, Thielemann dirigiert den Strauss auch wunderbar. Aber den hab ich auf youtube mit der Suite nicht gefunden.

Dienstag, 23. November 2010

Cerebrale Musik

Ich mag das Pasticcio des Morgens ja sehr, dieses In-den Tag-geführt-werden durch ModeratorInen mit ihrer immer sehr individuellen Musikauswahl, die oft, sehr oft meine aktuelle Befindlichkeitslage trifft oder einfach besonders gut zur Qualität des Tages passt. Wenn aber die Kompositionsweise ausgerechnet des Luigi Cherubini als "cerebrale Musik" apostrophiert wird, dann bin ich irritiert, könnte dieses Adjektiv auch auf keinen anderen Komponisten als zutreffend verwendet wissen. Eine Definition cerebraler Musik habe ich aber doch gefunden!


syrah-in-gaerung

Samstag, 3. Juli 2010

Der Welt abhanden.

Zu diesem Lied, das ich so liebe und das manchmal keines, oder aber eines Grundes bedarf, es zu hören - wo's dann so tröstlich fließt - gab es heute Vormittag einen tief gehenden Hör-Essay auf OE1, der mir die Tränen in die Augen trieb, doch es war nicht das Lied selbst, sondern was mit dem Autographen geschah, oder vielmehr wie mit wertvollen Nachlässen umgegangen wurde, wie mit Guido Adlers Bibliothek verfahren worden war, und wie die einen Nachfahren bis heute in Ignoranz verharren, die anderen aber nicht mehr am Leben sind.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Songs for the Living and the Dead

Ich werde keinen Nachruf halten. Einen kann man hier lesen.

Musik aber will ich hören; in späten Nachttönen vernahm ich gestern Songs of Innocence, ausschnittweise, erwerbbar ab morgen. Musik ist auch wie Opium, immer wieder und wieder, auch immer dasselbe, gerne, und manchmal stößt man auf Neues, das so neu nicht ist, doch sehnsüchtig-süß und sinneverwirrend durch den späten Feierabend trägt.

Mittwoch, 19. Mai 2010

What a Woman must do

Zu viel zu schreiben, deshalb keine Zeit zum Schreiben.
Aber zum Hören.

Samstag, 15. Mai 2010

Valie Bitches Export Brew

Bruchstücke einer Radiosendung auf dem Heimweg legen Erinnerungen frei an lang vergangene Zeit, die in dem, was ich da sah, aufnahm, für mich mitnahm, wirksam ist bis heute. Zur Person Valie Export war, in aktualisierter Fassung, auf OE1 zu hören; als ich gerade mal ein Jahr studierte, kam ihr Film Unsichtbare Gegner heraus; ich sah ihn erst einige Jahre später. In der Radiosendung kam ein Zitat vor zu Wahrnehmung, Wirklichkeit, Wahrheit - es muss auch aus den 70ern stammen, doch ich merke, wie mein Denken heute immer noch ganz nah an diesen Ansätzen läuft.

Mir behagte die von Valie Export offenbar bestimmte Musikauswahl zur Sendung: Edgar Varese, Meredith Monk, und: Miles Davis. Es war damals allerdings nicht Bitches Brew gewesen, sondern das Concierto de Aranjuez, das wir wieder und wieder gehört hatten in jener Künstler-Wohngemeinschaft, in die mich ein Kurzzeit-Lover eingeführt hatte. Bei einem Fest dort hatte ich mich in eine Frau verliebt, doch noch viel mehr dann in ihren Ex-Freund, der mir in den kurzen Jahren, die uns gegeben waren, zur prägenden Kraft wurde. Wiener Schule, Aktionismus, und eben die Frauen in der Kunst jener Zeit und danach, diese explizite Thematisierung der Identität, das hat sich kraftvoller festgesetzt als alle Feminismus-Diskussionen auf der Uni.

Einer der Wohngemeinschafts-Bewohner wurde erfolgreicher Architekt; seine markanten Spuren finde ich heute auf meinen Wegen in den Bergen:

Galzigbahn

galzigbahn by driendl




bitches

Montag, 4. Mai 2009

MVEMJSUN(P)

Pluto ist kein Planet mehr. Und deshalb kann der zu Schulzeiten eingeübte Merksatz so nicht mehr stimmen. Kepler und Galilei einigen sich in einem ihrer Dialoge, die nie stattfanden - eine der vergnüglichsten Serien der letzten Zeit, am 2.6. geht's weiter über die Sonne - letztendlich auf

Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unseren Nachthimmel

Warum der Merksatz noch kürzer ausfallen müsste, steht hier.

Mittwoch, 17. September 2008

Die Kunst des Fluchens

Der Mann im Bus schien mit der eingeschlagenen Fahrtrichtung nicht einverstanden, schüttelte eine Haltestelle lang den Kopf, in welchem Bus bin ich eigentlich? fragte er nach der nächsten Kurve, und entstieg beim folgenden Halt mit einem gepflegten Kruzefix Sakrament no moi. Da fiel mir erst auf, dass die klassische Kunst des Fluchens aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden scheint; wohl auch generationsbedingt überwiegen flapsige Ausdrücke in Anal- und Genitalnähe, die überlieferten Fassungen des Unbehagens oder Ärgers aber führen offenbar ein Nischendasein. Da hilft auch die Malediktologie wenig. Also: fleissig üben, ist ja auch g'sund!

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ConAlma - 2011-10-07 11:40
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rinpotsche - 2011-10-07 00:37
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
Erwischt... und Sie fehlen...
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katiza - 2011-10-06 10:34

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