geschichten von gestern

Montag, 5. April 2010

Verrauschen lassen.

Diese unsittliche Verschwendung der Lebensfülle, wenn all die mit solcher Aufmerksamkeit wahrgenommenen Eindrücke der Tage, die oft schon im Wahrnehmen als ein kleines formuliertes Stück im Gedächtnis zu verankern versucht werden, im Laufe der Stunden ihre erste Schärfe verlieren, mit dem Licht des Tages verblassen! Doch wenn dann abends die Müdigkeit steigt, lasse ich sie fast willenlos versinken, verrauschen, selbst kleinste Aufzeichnungen scheinen nicht mehr der Mühe wert.





Für die Zitate Dank an Martin Mosebach, der hier über seine Unfähigkeit zum Tagebuch schrieb.

Dienstag, 9. März 2010

same sex

Supermarkt, vor dem Kühlregal. Zwei junge Männer, offensiv schwul in ihrer Auftrittsweise. Ich frage mich sofort: ist das Inszenierung? Verankert? Mir fällt einer der gestrigen Beiträge zum Frauentag im Standard ein - dass Frauenpaare noch immer Aufsehen erregen. Und mir fällt der Schulkollege ein, der seiner Karriere zuliebe sein Privatleben stets im Hintergrund zu wahren wusste. Diese jungen, recht jungen Männer also: Inszenierung oder überzeugtes Dasein ohne Bewusstsein dafür, was ihnen noch begegnen könnte auf dem Lebensweg? Ihr Auftreten als etwas, das sich - für einen Großteil der Betrachter - noch "auswachsen" könnte, so wie Mädchengetue als etwas Vorübergehendes genommen wird?


Den Abend über bei einer schönen Freundin gesessen. Gewesenes erotisches Geplänkel, dem ich Aufrichtigkeit beimaß, ist wohl mehr ihren damaligen Beziehungsumständen zuzuschreiben, nicht mehr als Bestandteil gegenwärtiger Begegnung präsent. Was ich vermisse. Stattdessen: Ausbreiten neuer Beziehungsumstände und das Statement Was tust du da?, als ich ein wenig erzähle.

Auch in ihrer neuen Wohnung hört sie Musik for insane times.

Sonntag, 14. Februar 2010

Ich war aus.

Vorsätzliche Verabredung mit einem Twonight-Stand aus der jüngeren Single-Vergangenheit. 17 Jahre Altersdifferenz machen weder ihn zum Jüngling noch mich zur ergrauten Reifen, zu nah sind die Gedanken, von entspannter Offenheit die Sätze und groß das Vertrauen. Das Feierabendachtel unterliegt einer wundersamen Vermehrung, ich nehme uns die Last der Versuchung und bleibe noch auf ein paar Sätze mit der Trinkfreundin vergangener Jahre, die Achtel mehren sich weiter. Wir wundern uns, dass dem jungen DJ des Abends ein so erinnerungskompatibles Musikprogramm gelingt, nach Mitternacht wird die Versuchung zu Bewegung spürbar, der Rhythmus lockender.

Die neue Nachtbegleiterin der Freundin, deren Männerlust bis hin zum örtlichen Swingerclub immer etwas Flüchtendes anhaftete, freut sich über die Idee eines gemeinsamen Trinkabends, ja guten Wein habe sie auch daheim. Dann ziehen die beiden ein Lokal weiter; beim Verlassen der Bar streift mein Blick einen einstmals sehr jungen Mann, der damals in einer jener verzweifelten Nächte meinen Weg gekreuzt hatte. Schön war er gewesen, und wohlgeformt, und die Sommernachtstille draußen beim Reitstall kann ich immer noch riechen.

aus

Die Außenschlafstelle im Büro, sohnbesuchbedingt, schien mir in dieser Nacht besonders heimelig.

Sonntag, 26. Juli 2009

lightning

Feier.Abend. Hoffnungsvolles Licht

rainbow

und Gegenlicht, das Leuchten macht.

gegenwolken

Dienstag, 23. Juni 2009

Umkehr.

Vor einer Woche befiel mich Wehmut, weil die wachsenden Tage gezählt waren, ein Auskosten nicht mehr ausreichend möglich. Nun kürzen sie wieder, und diese Gewissheit macht mich ruhiger. Der gestrige Morgenblick in seiner nahen Schneekühle passte da gut:

nachsonnwend

Leutasch, 7:30

Freitag, 9. Januar 2009

Der Geruch von gekochter Milch

Scharlach - das war zu meinen Volksschulzeiten noch ein F'all für Desinfektion, Quarantäne, Krankenhausaufenthalt in einer geschlossenen Abteilung für vier Wochen. Bei mir war's über Ostern, Scharlach-Pavillon im Wilhelminenspital, Besuch nur hinter Glas. Die alte Krankenhausarchitektur wusste ich damals nicht zu würdigen, die entwürdigende "Pflege" ist mir bis heute so präsent in der Erinnerung, als wär's nicht über 40 Jahre her.

Ich war ein Beispielfall, durfte mich von Studenten examinieren lassen. Und so lag ich, knapp 10jährig, auf dem Untersuchungstisch, sie schoben mir das Hemdchen hoch, unter dem ich weiter nichts trug, um den Ausschlag begutachten zu können. Und so lag ich da, hilflos, ausgesetzt, angestarrt. Und dann die Zunge: die Himbeerzunge. Mach den Mund auf, sagten sie, ich schüttelte den Kopf, presste die Lippen aufeinander. Doch ich musste, und so sahen sie keine Himbeerzunge, ich hatte zuvor ein Schokolade-Osterei gegessen. Aber ich konnte das nicht als kleinen Triumph verbuchen für die Schmach der Nacktheit, ich fühlte mich so ohnmächtig und verlassen.

Schon um 6 Uhr morgens mussten wir ins Bad, Badewanne, danach mit nassen Haaren wieder ins Bett gesteckt. Die Putzfrau war eifrig mit lüften, als ich entlassen wurde, hatte ich fast eine Lungenentzündung. Und dann war da die Milch in der Früh, die war einmal so verkocht, dass ich danach nie mehr Milch pur trinken konnte, auch nicht kalt. Vorhin ist mir die Milch für den Kaffee übergekocht: der Geruch hat mir sofort wieder die alte Scharlachgeschichte hervorgeholt. Wär da nicht ein etwas älterer, lieber Junge gewesen, der mir manchmal am langen Esstisch gegenüber saß und ebenso wie ich am Sonntag in irgendwelchen übertragenen fremden Gewändern zur Kirche ging (das war Pflicht - eine Extra-Messe für die "Aussätzigen") und dessen Anwesenheit mich zu Tapferkeit anspornte, ich hätte wohl öfter ganz still ins Kopfkissen geweint.

Dienstag, 6. Januar 2009

Einhundertzehn

Die nächtliche Autobahn liegt in Düsternis. Der Himmel hängt weit übers Mittelgebirge herunter, Sterne und Mond verkriechen sich in ihren Nebelverstecken. Aus der Eintönigkeit gedrosselter Geschwindigkeit reißt ein plötzlich über dem Kopf auftauchendes Leuchten, weiße Ziffern in rotem Kreis, Einhundertzehn! ruft es in die Dunkelheit, und wenige Meter danach wieder: Einhundertzehn! Und wieder ein drittes, viertes, gar fünftes Mal, wie sähe dies bei David Lynch aus? Da wüchse diese Geschwindigkeitsansage plötzlich aus der Fahrbahn heraus, käme direkt auf den Schädel zu, riesengroß, und knallte gegen die Stirn. Trotz Schwere des Beines ist der Fuß nicht in der Lage zu beschleunigen, Hundert zeigt der Tacho beharrlich, ein irritierend flirrendes Hosanna in Excelsis ertönt aus dem Autoradio, schwebt mir mir durch die Nacht, Orgel, Stimmen, Akkordeon, mittelalterlich und doch nicht, Zeitton, Hosanna, wie lang noch der Weg?, Einhundertzehn wandert beharrlich über den Kopf hinweg, doch endlich erlöst die ungerührt in Talesmitte thronende Festung in ihrem nächtlichen Lichtgewand.

Samstag, 3. Januar 2009

Foolish Things

Freilich fielen mir Geschichten ein oder Gescheh'nes zu erzählen, dass ich so früh im Jahr wie nur einst zu Schulzeiten auf der Piste war, Hasensprung und Weibermahd, Neujahrsschilauf, weil ich den Hirschen zu einem spontanten Silvesterausflug nach Lech überreden konnte, nach getaner Arbeit, ja, diese getane, zu viel getane Arbeit der letzten Wochen ist es wohl, die mich so selten an die Tastatur treibt und mich, wenn einmal davor festsitzend, weniger an die Ausformulierung der Einfälle von Unterwegs denn vielmehr an foolish things (dankenswerterweise im heutigen Diagonal zu Simone de Beauvoir gehört) denken lässt. Nein, Neujahrsvorsätze gab es keine, es gibt nur viel zu tun.

Nun aber werde ich (der Dank geht an 3sat) das Schneegenuss-bedingt versäumte Neujahrskonzert nachholen, weil es offenbar Bemerkenswertes zu sehen gab - wie ist's wirklich gewesen, Musicus?

Sonntag, 21. Dezember 2008

Achtzehn: Steiß

Morgens um sieben ist die Welt noch dunkel.
(Der kürzeste Tag hüllt sich in trübes Licht, während ich dies schreibe; doch von morgen weg wendet sich wieder alles unaufhaltsam dem Wachsen zu.)
Schneegeriesel schenkt selbst der Autobahn friedliche Weichheit, der Winterwald zu beiden Seiten ist so Gedicht. Eine Stunde gut schenkt mir der Osteopath, Mitwisser meiner Haltung, die Wohltat seiner Hände. Seine Arme legen sich um Steiß und Schenkel, zu öffnen, wo der freie Fluß gefährdet, zu weichen, wo mit Kraft gehalten wird. Am Ende steh ich fest am Boden und vermeine doch, ganz leicht und schwerelos zu sein.

Montag, 15. Dezember 2008

Fünfzehn: Figln

Sonntagsausflug mit neuem Ritual: den alten Freund des Hirschen bei einer kleinen lokalen Advent-Kunstausstellung zu besuchen. Der alte Herr, gezeichnet von seiner Unbeweglichkeit in den Beinen, hält im Rollstuhl lächelnd Hof, hat Pläne - denn wenn auch die Hände gichtig gezeichnet sind, er zwingt sich zu Disziplin, malt kleine Aquarelle von Gebirgslandschaft und Stimmungen darin und möchte sich nun noch dem Hölzernen Glachter zuwenden. Für die Gitarre reicht seine Beweglichkeit nicht mehr, aber ganz ohne Musikausübung mag er auch nicht sein. Früher, da hat er gern gesungen, lateinamerikanische Musik, die hat er von seiner Schilehrertätigkeit in den argentinischen Anden mitgebracht. Dort war er in unseren Sommern, die Winter verbrachte er in Vermont, hat eine große Schischule gegründet, mit der Familie 30 Jahre ein Hotel geführt. Die ehemaligen Angestellten waren allesamt aus der Heimat, besuchen ihn auch heute noch - eben bei Gelegenheiten wie dieser Ausstellung.

Dass er, der ursprünglich Techniker mit Bürojob gewesen war, am liebsten in der Natur unterwegs war, so abenteuerlich als möglich, erfährt man so nebenher - und dies hat sein Leben und seine Lebendigkeit grundlegend geprägt. Die Berge haben unser Alter möglich gemacht, sagt ein Jugendfreund. Und inspiriert - private Quellen bekunden, dass er der Erfinder der Firngleiter vulgo Figl war - ein neuerdings wieder höchst aktuelles Gerät für Fortbewegung auf Schnee.

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ulovesexdoll - 2018-12-13 06:51
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karrri - 2014-06-24 12:18
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uferlos - 2011-10-08 00:28
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lasst mir noch ein bissl zeit. vielleicht gibt es ein...
ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
Was gab's denn so wichtiges anderswo?
rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
Erwischt... und Sie fehlen...
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katiza - 2011-10-06 10:34

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