Montag, 7. August 2006

wo du nicht bist - ein stück übers glück

Wo ist das Glück zu finden? Können wir uns das Glück machen? Ist es immer dort, wo man gerade nicht ist?

"Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück!" tönt es bei Schubert, im Wanderer, und in Schubert-Liedern wird viel gewandert, von allerlei Fremdlingen.

Die Figuren, die am vergangenen Freitag in der Werkstattbühne in Bregenz über die karge Bühne taumelten, sprangen, tanzten, glitten, rollten, waren allesamt wandernde Fremdlinge, auf der Suche nach Gesehenwerden, nach Berührung, Berührtsein. Und wann immer sich ein Glücksmoment auftat, geriet er leicht zur Ekstase, verzerrte sich darin und entglitt. Zurück blieben Irritation, Ärger, Chaos. Nur die ganz stillen Augenblicke, die blieben bestehen, hielten an.

Nico and the Navigators heißt die Theatertruppe, die da mit enormem körperlichem Einsatz, mit wenig gesprochenem Wort, mit Satzfetzen mehr denn Dialogen oder Monologen, Sinnbilder zur Glückssuche präsentierte. Da gab es oft Erkennen, Erschrecken, aber auch viel Lachen, unfreiwillige Komik, oder auch beabsichtigte. In allen Sprachen wurde agiert, gleich zu Beginn französisch, auch englisch, flämisch, japanisch. Die meisten Szenen kippten ins Groteske, hatten etwas Zirkushaftes an sich, Absurditäten überwogen.

Dazu die Musik von Franui, dieser wunderbaren Osttiroler Tanzkapelle/Volks-Kunstmusiktruppe: mit Andreas Schett als Leiter/Komponist, mit 2 Trompeten, Posaune, Tuba, Klarinette, Geige, Bass, Hackbrett und Harfe. Melancholisch und ungestüm, tänzelnd und schmalzig spielten sie durch eine Musik zwischen Volkstradition, Schubert und Improvisation.

Am Schluss wird kräftig mit Wasser gegossen, gespuckt, geschüttet - Wasser als Lebenselement, aus dem wir neugeboren steigen?

‚,Glück ist nichts anderes als das Umfangensein, Nachbild der Geborgenheit in der Mutter. Darum kann kein Glücklicher je wissen, dass er es ist. Um das Glück zu sehen, müsste er aus ihm heraustreten: er wäre wie ein Geborener’’
Theodor W. Adorno

Rudalpe Lech: Abendessen mit Wein, Weib & Gesang

Frei nach Johann Strauss war es ein von Wein, Weib und Gesang bestimmter Abend, wobei dem Gesang (verantwortlich: Harry Prünster) weniger künstlerischer als vielmehr malerischer Hintergrundwert zukam.

Wiewohl die Kulisse der Rudalpe allein schon malerisch genug ist: auf steilem Abhang (aber welche Hänge hier sind nicht steil?) hoch über Lech gelegen, in- und auswendig aus altem Holz bestehend und doch ganz neu, 2003 war die Eröffnung. Man ging mit großer Sorgfalt an die Neuerrichtung auf historischem Platz: vier andere Almhütten leben hier drin weiter, doch hinter allen stilgetreuen Zutaten versteckt sich gebündelte Modernität. Zum einen viel Luft und Raum, nach oben offen, großzügig im Platzangebot (samt weitläufiger Terrasse). Versenkbare Zwischenwände, moderne Küche, klimatisierter Weinkeller (wohlbestückt, einiges auch an Großflaschen), Toiletten für Schifahreransturm dimensioniert und doch von gepflegter Alpineleganz. Sogar der Zigarettenautomat ist in einem Holzschränkchen versteckt. Hochlöblich: der Verzicht auf üppiges Schnitztum.

Auch die Küche weiß sich zu beschränken: im kurzen Wandersommer sowie an den wesentlicher belebteren Wintertagen wird man hier mit Lechtaler Schmankerl und hüttentauglichen Gerichten der österreichischen Küche zufriedengestellt. Da aber ein versierter Mann der elaborierten Kochkunst am Herd steht - Christoph Wagner hatte im Wiener Restaurant Bordeaux maßgeblichen Anteil an Haubenehren - darf jeweils Dienstag und Donnerstag abend aus ganzer Kreativitätskraft geschlemmt werden.

Einen Vorgeschmack auf den kommenden Winter brachte das Menü zu den Weinen der 11 Frauen im Rahmen ihrer Präsentation in Lech.

Zum Sekt von Petra Unger wurde als Küchengruß ein saftig-zartes kaltgeräuchertes Stückchen vom Schwein gereicht, auf süßlich-pikantem Gemüse - wahrlich viel versprechend.
Dann zauberte das Rosa Fischstäbchen vom Thunfisch auf Rahmgurken ein fast asiatisches Lächeln auf die Gesichter: noch roh in der Mitte, ganz leicht paniert, und vor allem die Gurken weckten Begeisterung: in langen feinen Streifen von bemerkenswerter Trockenheit, weder wasser- noch rahmtriefend, fein gewürzt mit einem Hauch rosa Pfeffer. Die Frische der Gerichtes wurde unterstützt vom Gemischten Satz 05 von Michaela Ehn, ein in diesem Jahr sehr sauvignonlastiger Wein; Birgit Braunsteins Chardonnay 05 hingegen unterstrich mehr den gewichtigen Charakter des minutiös gebackenen Thunfisches.
Weiße Tomatenschaumsuppe mit Basilikumcrostini: letztere für sich eine nette Knabberei, aber die fein geschäumte Suppe mit dem zarten Paradeisaroma kam bestens ohne sie aus. Der Grüne Veltliner Gutsreserve 05 von Ilse Maier, Geyerhof, mit seiner unaufdringlichen Eleganz und Kraft war ein charmanter Begleiter dazu.

Gespickter Zander in Kapernbutter auf Jungzwiebelpüree: die Kapernbutter war ganz in die knusprige Kruste des Fisches eingezogen, das machte jeden Bissen zu einem Vergnügen. Dazu stand die Auswahl Pannobile weiß 02 von Judith Beck, mit dem eingebundenen Holzton hervorragend zum kräftigen Fisch passend, aber auch Birgit Eichingers Riesling Heiligenstein schlug sich dank Jahrgang 2005 hervorragend. Nur das Jungzwiebelpüree litt geschmacklich an der langen Standzeit - bei 170 Gedecken, die gleichzeitig zu servieren waren, eine lässliche Kleinigkeit.

Eine herrlich knackige Angelegenheit dann das knusprige Schweinsgoderl mit Kräuter-Weißbrot-Soufflée: das dicke megaknusprige Schwartel wird allerdings für so manche Zähne eine Herausforderung gewesen sein! Ein Traum in Flaum dagegen das Kräuterknöderl (auch die euphemistische Umschreibung sei verziehen, war doch so allerhand illustre Gesellschaft versammelt) - ich habe selten eine solch betörende Konsistenz wie Aromenintensität bei schlichten Knödeln erlebt! Wenn das immer so ist ... Die Entscheidung für den passenden Wein dazu musste der persönlichen Vorliebe überlassen werden: sowohl der Veltliner Alte Reben 05 von Helma Müller-Grossmann, der hier seine ganze Intensität und Dichte ausspielen konnte, wie der Clausenberg 2002 von Rosi Schuster, eine Cabernet-Zweigelt-Cuvée voller Kraft und Eleganz, waren perfekt dazu.

Ganz in rot wurde dann der saftige rosa Lammrücken "auf Zartweizen mit Paprika" = kleine rote und gelbe gefüllte Paprika (wobei die Zartweizenfülle zu wenig Ausdruck hatte, hier wäre Markanteres vorstellbar) begleitet, mit einem noch jugendlichen terra 0 2004 von Silvia Heinrich und dem saftigen Cabernet Ungerbergen 2000 von Silvia Prieler.
Auf den Flügeln der Morgenröte, mit diesem poetischen Namen kam dann zuletzt der Ruster Ausbruch 04 von Heidi Schröck als Begleitung von Nougatparfait im Marzipanmantel mit Kaffee-Chilischaum (duftig und von angenehmer Schärfe) zu Tisch.

Man darf sich auf die Wintersaison freuen!

11 frauen, ihre weine und die alm oder: wie ich für einen abend zur winzerin wurde

Sie kommen aus unterschiedlichsten Weinbaugebieten, vom Mittelburgenland bis zum Kremstal. Sie sind noch ganz jung, am Beginn ihres erfolgreichen Winzerinnenlebens, oder geben ihre reiche Erfahrung bereits an die Kinder weiter. Sie sind Schwestern, Töchter, Ehefrauen oder Einzelgängerinnen, sind eingebunden in einen Familienbetrieb oder eigenköpfig-selbständig. Sie stehen selbst in Weingarten und Keller oder legen die ganzen Strahlkraft ihrer Persönlichkeit in die Arbeit nach außen. Eine jede hat ihre unverwechselbare Individualität, und es ist die gemeinsame Leidenschaft für den Wein, die sie zusammenbrachte und eint.

11 Frauen und ihre Weine - eine Winzergruppierung wie keine andere: da geht es nicht um eine neue Marke, nicht um das Vorantreiben einer Region, nicht um eine Abgrenzung gegenüber anderen. Es sind vielmehr Offenheit, Neugier, Austausch, Anregung, die das Fundament dieses freundschaftlichen Zusammenschlusses bilden, wo eine jede mit ihrem ganz persönlichen Wert zur Geltung kommt, konkurrenzfreie Unterstützung findet und mit allen Stärken und Schwächen angenommen wird. Mir wesentlich erscheint gerade dieses Nicht-Konkurrenzieren. Die Diversität ist durch die jeweiligen Weine, die als durchaus typisch für die einzelne Winzerin zu sehen sind, ausreichend gegeben, das lässt Spielraum für ein zeitlich begrenztes, umso intensiveres Miteinander.

Das macht diese 11 Frauen so stark in ihrem Auftreten und zieht all jene in Bann, die bei ihren gemeinschaftlichen Auftritten zu Präsentations- und Verkostungszwecken dabei sind. Vergangenen Samstag zum Beispiel, auf der Rudalpe in Lech am Arlberg, nach heftigem Wettersturz fast im Angesicht des Schnees.



Weswegen die nachmittägliche Präsentation auch in die Postgarage im Tal verlegt werden musste, was dank eines eleganten Klavierspielers der Stimmung keinen Abbruch tat. Einzig Birgit Braunstein war aus privaten Gründen nicht mitgekommen, und um ihren Tisch nicht verwaist oder der gehetzten Betreuung durch Kolleginnen zu lassen, sprang ich, seit einiger Zeit schon im Bann dieser Weinfrauen befindlich, spontan ein. Was dazu führte, dass ich für unbedarftes Publikum ganz selbstverständlich als die elfte Winzerin genommen wurde: ein sehr schönes und zufriedenmachendes Erlebnis!



Abends dann, auf der Rudalpe: Sechs Gänge, elf Weine . Und auch da ging es nicht darum, was besser passt, schon gar nicht, was besser ist - sondern um das Erkunden, wie sowohl der eine wie der andere Wein seine Berechtigung hat. Und um das fröhliche (und weit in die Nacht reichende) Beisammensein.

Meine bevorzugten Weine dieser Präsentation:

Judith Beck: Pinot Noir 2003 - intensiv, salzig, lang.
Birgit Braunstein: Oxhoft rot 2003 - geschmeidige Cuvée, die nicht zu dick aufträgt.
Michaela Ehn: Rosé 2005 - erfrischender Saftabzug von Cabernets und Syrah mit Struktur und Eleganz.
Birgit Eichinger: Roter Veltliner Wechselberg 2005 - vielschichtig, Artenschutz vom Feinsten!
Silvia Heinrich: Vitikult 2004 - klassischer Blaufränkischer mit vie Frucht und Substanz.
Ilse Maier: Grüner Veltliner Gutsreserve 2005 - unverwechselbare Geyerhof-Eleganz und Struktur.
Helma Müller-Grossmann: Grüner Veltliner Perfektion 2005 - aus Novemberlese, Kraft und Mineralität.
Sivlia Prieler: Leithaberg weiss 2005 - Eleganz trotz Holz, exemplarisch für die neue Marke.
Heidi Schröck: Grauburgunder 2004 - Geschmeidigkeit und Exotik, es muss nicht immer Ausbruch sein!
Rosi Schuster: St.Laurent klassisch 2005 - jung, kraftvoll mit großartigen Anlagen.
Petra Unger: Riesling Silberbügel Reserve 2005 - intensive Rieslingnase, reichlich Schmelz, eine Wohltat!

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sang und klanglos :-(
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