Vielfalt einer Rebsorte: Sankt Laurent

Am 10. August, just wo die Sankt Laurent-Trauben mit ihrer Véraison, der Farbnahme, beginnen, hat der Schutzpatron der Köche, der Hl. Laurentius, seinen Tag. Dass aber die Befähigung des Sankt Laurent (jetzt als Wein) als feiner Speisenbegleiter daher rühre, ist ein Gerücht.

Sankt Laurent, geschätze 2000 ha in Mitteleuropa, in Österreich um die 450 (die letzte offizielle Zählung stammt von 1999), in Deutschland jüngst eruierte 669 ha (Pfalz und Rheinhessen), der Rest muss in Kroatien, Tschechien und dem Elsass wachsen, hat Geschichte, eine dunkle allerdings. Von kleinen Beständen in Frankreich kam er durch einen Herrn Bronner Mitte des 19.Jahrhunderts in die Pfalz, endete nach kurzer Blüte als Bewahrungsobjekt in einer Rebschule, von dort wurde er einem neuen Leben in Österreich zugeführt.

Selbst mittels DNA-Analysen ist nur so viel sicher: ein Elternteil muss eine Spielart des Pinots sein, aber ob blau, grau oder weiß, lässt sich nicht sagen. Und der zweite Partner ist weiterhin unbekannt. Wie auch immer, die Trauben sind mittelgroß, dichtbeerig, etwas weniger dünnschalig als der Pinot Noir, und die Rebe hat Ansprüche: gedeiht am besten auf kalkhältigen Böden, wie es Burgundersorten eben so zu eigen ist, und braucht gute Durchlüftung, damit aufgrund der Dichtbeerigkeit die Pilzgefahr nicht zu groß ist. Zudem verrieselt Sankt Laurent leicht, das macht die Erträge unsicher. Solcherart kapriziös und nach wie vor nicht gerade mit großem Renommée behaftet, muss er die guten Lagen den prominenteren Rebsorten überlassen; in Österreich macht sein Anteil 0,9% der Rebfläche aus.

Wie aber schmeckt Sankt Laurent, was ist sein Profil? Hohe Säure, das lässt sich vorweg sagen, und irgendwie ein rustikalerer Pinot Noir, auch das ist zu hören. Aber dann wird es schon schwierig, denn seine Ausformung als Wein ist nicht nur von Böden und mikroklimatischen Bedingungen bestimmt, sondern vor allem von der Arbeit des Winzers, in Garten und Keller. Das wurde bei der gestrigen Verkostung von österreichischen Sankt Laurents nur allzu deutlich.

1. transparentes rubinviolett, weich und warm nach reifen Kirschen duftend, mit feiner Würze, etwas Liebstöckl; anregende Säure, mittlere Länge, guter Trinkfluss, grüne Tannine, klassisch ausgebaut, jung: Hans Igler St.Laurent classic 2005, ein gutes Beispiel für einen im Stahltank ausgebauten, für einige Zeit im großen Holzfass gelagerten St.Laurent aus dem Burgenland, unkomplizierter Trinkspaß, vor allem als universeller Speisenbegleiter geeignet. Dieser Wein wurde im Nachhinein als der einzige als typisch zu bezeichnende St.Laurent gesehen.
2. etwas dunkler, purpurner, dichter im Farbkern; Weichselfrucht, leicht zwetschkig, leise Holznoten; sehr frische Säure, reifere Tannine, noch unbalanciert. Paul Achs St.Laurent 2005, 40% des Weines waren in neuem Holz, das gibt einen gewissen Schmelz, aber der Wein wurde nicht durchgänig gut bewertet.

Der nächste Flight war ein großer Kontrast, hier kamen die unterschiedlichen Vinifizierungsansichten besonders zur Geltung:
3. dunkles rubin, orange Reflexe; intensiv nach dunklen Beeren duftend, etwas Kaffee, reif; kräftiger Körper, sehr elegant, lang. Juris St.Laurent Reserve 2003, ein sehr schönes Beispiel für einen Wein in klassischer Stilistik, nicht durchgängig neue Barriques, in großem Holzfass ausgereift; durch den Jahrgang wirkt er bereits jetzt sehr gereift, die Eleganz und Länge sind wohltuend unaufdringlich.
4. dunkelrubin, fast schwarzrot, dichter Kern, violetter Rand; dunkle Kirsche, etwas blättrig zunächst, wird dann intensiver, etwas Blütenduft, ein Hauch von Zwetschkenkern, Zimt; weich, samtig, noch jugendlich, nicht identifiziertbar in eine bestimmte Richtung, sondern sehr modern vinifiziert, konzentriert: Grassl St.Laurent Reserve 2004 - niemand hätte den Wein diesem eher mageren Jahrgang zugeordnet, das macht die Arbeit vom Garten bis zum Keller deutlich. Hoch im Alkohol, dunkel und rund, vordergründig, der junge Winzer setzt auf wertige Attribute wie Farbe, Kraft, jetzt toll, aber was ist in ein paar Jahren? Beim Nachspüren im leeren Glas war zunächst kaum etwas da, dann blieb noch Suppenwürze übrig.

5. Einzelstück: mittleres Rubin, heller Rand. Süße Fruchtnoten, Kräuter, Himbeere; kernige Tannine, mittlerer Körper, noch ungestümes Tannin, spürbare Mineralik, Feuerstein, Schiefer, lang, sehr interessant: Hannes Schuster St.Laurent Alte Reben 2003. Der Sohn von Rosi Schuster macht viel versprechende Weine wie auch diesen hier, von Schotter-Lehm-Kalkböden und 40jährigen Rebstöcken.

Zweimal derselbe Jahrgang, aber welche Unterschiede!:
6. transparent, helles rubin mit reichlich orangen Reflexen, breiter Wasserrand; leicht Kaffee, moribunde Früchte, Himbeermarmelade in sehr "herbstlicher" Ausprägung, man muss sich das als letztes Aufbäumen einer Fruchtsüße vorstellen, die weiß, dass sie nicht mehr lange zu bestehen hat; frische Säure, herrliche Reifenoten, zart gebaut, seidige Struktur, Himbeeressig, Rum, Karamel, manche nehmen Honigtöne wahr; man würde diesem Wein wesentlich mehr Jahre geben als er tatsächlich hat, jetzt bereitet er noch großes Trinkvergnügen, aber ist bereits beim Absteigen. Bründlmayer Ried Ladner 2001, ein aktueller Händlerjahrgang, die süße Extraktfülle und die verblassende Farbe erinnern an einen reifen Pinot Noir, die dekadenten Abbaukomponenten machen ihn so reizvoll.
7. dunkles Rubin, keine violetten Reflexe mehr; rund und weich in der Nase, Moosbeeren, dunkle Zwetschke, etwas Leder; kräftig, seidige Struktur, weiche Tannine, Würze, Kräuter, Kaffee, Eiche gut integriert: Reinisch St.Laurent Grande Reserve 2001, eindrucksvoll, doch für das, was er letzendlich kann, als für zu teuer empfunden. Aber dieser Wein kommt erst noch, die großen Reinisch-Weine brauchen immer lang.

Und zuletzt, es sollten zwei Jahrgänge desselben Weines sein, der 2001 aber hatte kräftigen Kork:
8. dunkel mit Orangereflexen; Sauerkraut, Lack, Uhu, kräftige Säure, weiche Tannine, die unangenehmen Noten verfliegen mit der Luft etwas, dennoch bleibt was Irritierendes, sehr reife Frucht, Eleganz in der Struktur; die meisten mögen diesen Wein nicht: Umathum St.Laurent vom Stein 1999. Bei diesem Wein sind in den Jahrgängen immer wieder kräftige Brettanomyces-Noten feststellbar, auch das Sauerkrautige ist mir nicht unbekannt. Das ist aber überhaupt in der Umathum-Stilistik gern drin. ( --->Vom Stein-Vertikale)

Dieser kleine Ausschnitt aus Möglichkeiten für St.Laurent (in Österreich) zeigt doch deutlich, wie wenig eindeutig diese Rebsorte zuzuordnen ist, nicht einmal die Farbe gibt ausreichend Aufschluss. Einige Winzer haben das Potential erkannt; Schloss halbturn etwa macht einen intensiven Wein aus extrem selektionierten Beeren, Brigit Braunstein kann auf die große Tradition ihres Vaters hierbei zurückgreifen, die südliche Thermenregion wie das Kamptal haben hier einiges an Erfahrung. Und so fesch der Philipp Grassl auch sein mag: seine Interpretation ist definitiv nicht mein Favorit.
gulogulo - 2006-10-06 12:55

ober, a viertl.
rot oder weiß?
seit wann hot schnaps a farb?

herold - 2006-10-06 13:14

Sie sind also auch akademische weintrinkerin!

ConAlma - 2006-10-06 13:31

ct

Das akademische Viertel, auch cum tempore genannt, habe ich immer schon geschätzt. Viele Viertel werden dann zu o tempora o mores!
Bernhard_H - 2006-10-25 12:03

Was ich mir

auf Anraten eines Weinkenners mal gegönnt habe, waren ein paar Kisterln vom Nittnaus St. Laurent 2004 (einer der wenigen echt leistbaren Weine von ihm) - einfach toll!

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