Einhundertzehn
Die nächtliche Autobahn liegt in Düsternis. Der Himmel hängt weit übers Mittelgebirge herunter, Sterne und Mond verkriechen sich in ihren Nebelverstecken. Aus der Eintönigkeit gedrosselter Geschwindigkeit reißt ein plötzlich über dem Kopf auftauchendes Leuchten, weiße Ziffern in rotem Kreis, Einhundertzehn! ruft es in die Dunkelheit, und wenige Meter danach wieder: Einhundertzehn! Und wieder ein drittes, viertes, gar fünftes Mal, wie sähe dies bei David Lynch aus? Da wüchse diese Geschwindigkeitsansage plötzlich aus der Fahrbahn heraus, käme direkt auf den Schädel zu, riesengroß, und knallte gegen die Stirn. Trotz Schwere des Beines ist der Fuß nicht in der Lage zu beschleunigen, Hundert zeigt der Tacho beharrlich, ein irritierend flirrendes Hosanna in Excelsis ertönt aus dem Autoradio, schwebt mir mir durch die Nacht, Orgel, Stimmen, Akkordeon, mittelalterlich und doch nicht, Zeitton, Hosanna, wie lang noch der Weg?, Einhundertzehn wandert beharrlich über den Kopf hinweg, doch endlich erlöst die ungerührt in Talesmitte thronende Festung in ihrem nächtlichen Lichtgewand.
ConAlma - 2009-01-06 09:39
War es schon spät?