Der Tod der alten Damen
Mimi ist tot. Sie starb schon vor Tagen, alleine, und wahrscheinlich nicht mehr wissend, wo sie ist. Irgendwann war der Tag gekommen, da es nicht mehr möglich war, sie alleine in der großen Wohnung leben zu lassen. Ein Sachwalter hatte sich schon seit geraumer Zeit ihrer Agenden angenommen, eine Aufräumefrau sah regelmäßig nach dem Rechten, doch das bewahrte die einstmals so lebendige, sprühende alte Dame nicht vor langen Stunden der Hilflosigkeit, gestürzt in der verriegelten Wohnung, und ohne Erinnerung, wie das passiert sei, nachdem die Feuerwehr die Türe aufgebrochen hatte. So kam sie also ins Krankenhaus, erst in das eine, dann in ein anderes, abgeschoben, niemand da, der sich gekümmert hätte. Und dann war sie tot.
Was wird nun? fragte der Hirsch, doch niemand zeigte sich zuständig, damit sie ein Begräbnis bekäme, das ihrer würdig sei. Mit jedem Spitalswechsel war ein anderer Bezirksnotar ins Spiel gekommen, der Sachwalter hatte auch keine offizielle Funktion mehr nach ihrem Ableben; der Hirsch, der verzweifelt zu erwirken versuchte, dass sie zu ihrem Charlie ins Grab käme, Geld war ja genug vorhanden, wurde vom einen zum anderen verwiesen und erntete nichts als Unzuständigkeitsmeldungen, hätte auch das Geld vorgestreckt, und nur die Kooperationsbereitschaft des Sachwalters und dann doch ein Notar, der zuhörte - wunderten sich nicht alle immer, dass da einer war, der, nicht verwandt, sich so einsetzte für die alte Dame? - machten es letztlich möglich, und nun wird es ein Begräbnis geben für Mimi mit allem, was dazu gehört.
Eine andere alte Dame ist fast zeitgleich gestorben, die Schwiegermutter eines meiner Brüder, die auch die Schwiegermutter unseres Cousins ist. Der Krebs hatte erst ihre Brüste zerfressen, dann das Gehirn, dort machten sie ihm mit neuester Technologie den Garaus, doch dann waren auf einmal Metastasen im Bauch, und die darauf folgende Chemo vertrugen die Organe nicht mehr. Maria, die schöne, aufrechte Triestinerin, die immer voller Güte zu den Menschen um sich gewesen war, starb in Wien im Beisein ihrer Töchter, der Enkelkinder, der Schwiegersöhne; durfte noch lange Stunden in der Familie bleiben, geküsst, umarmt, ein letztes Mal festgehalten. Und wurde heute beigesetzt, im Familiengrab ihrer Schwiegersöhne, in einer Stadt, in der sie nie war, und die ihr nun doch Heimstatt wurde, ein kleiner Flecken Geborgenheit und eine Stätte der Erinnerung für die, die sich ihrer erinnern wollen.
Es waren viele gekommen: meine Geschwister, meine Kinder, meine Eltern, die italienische Verwandtschaft und die Freunde der einen Tochter, die Südtiroler Verwandtschaft meiner Familie, und es gab Musik, Marias Lieblingsmusik, Verdi und Mahler und Bruckner, und dass es regnete und kalt war, störte nicht, die große Linde beim Friedhof ließ etwas von ihrem Blütenduft verspüren. Und Marias Töchter erzählten unter Tränen von der Schönheit und Größe ihrer Mutter, ihrer Grazie und ihrer Herzenswärme, es wurde erinnert und erzählt und gegessen und getrunken, und das plötzliche Wegsein war für einige Stunden aufgehoben.
Mimi wird am 1. Juli um 14 Uhr am Südwestfriedhof in Wien begraben. Es werden wohl nicht viele da sein.
Was wird nun? fragte der Hirsch, doch niemand zeigte sich zuständig, damit sie ein Begräbnis bekäme, das ihrer würdig sei. Mit jedem Spitalswechsel war ein anderer Bezirksnotar ins Spiel gekommen, der Sachwalter hatte auch keine offizielle Funktion mehr nach ihrem Ableben; der Hirsch, der verzweifelt zu erwirken versuchte, dass sie zu ihrem Charlie ins Grab käme, Geld war ja genug vorhanden, wurde vom einen zum anderen verwiesen und erntete nichts als Unzuständigkeitsmeldungen, hätte auch das Geld vorgestreckt, und nur die Kooperationsbereitschaft des Sachwalters und dann doch ein Notar, der zuhörte - wunderten sich nicht alle immer, dass da einer war, der, nicht verwandt, sich so einsetzte für die alte Dame? - machten es letztlich möglich, und nun wird es ein Begräbnis geben für Mimi mit allem, was dazu gehört.
Eine andere alte Dame ist fast zeitgleich gestorben, die Schwiegermutter eines meiner Brüder, die auch die Schwiegermutter unseres Cousins ist. Der Krebs hatte erst ihre Brüste zerfressen, dann das Gehirn, dort machten sie ihm mit neuester Technologie den Garaus, doch dann waren auf einmal Metastasen im Bauch, und die darauf folgende Chemo vertrugen die Organe nicht mehr. Maria, die schöne, aufrechte Triestinerin, die immer voller Güte zu den Menschen um sich gewesen war, starb in Wien im Beisein ihrer Töchter, der Enkelkinder, der Schwiegersöhne; durfte noch lange Stunden in der Familie bleiben, geküsst, umarmt, ein letztes Mal festgehalten. Und wurde heute beigesetzt, im Familiengrab ihrer Schwiegersöhne, in einer Stadt, in der sie nie war, und die ihr nun doch Heimstatt wurde, ein kleiner Flecken Geborgenheit und eine Stätte der Erinnerung für die, die sich ihrer erinnern wollen.
Es waren viele gekommen: meine Geschwister, meine Kinder, meine Eltern, die italienische Verwandtschaft und die Freunde der einen Tochter, die Südtiroler Verwandtschaft meiner Familie, und es gab Musik, Marias Lieblingsmusik, Verdi und Mahler und Bruckner, und dass es regnete und kalt war, störte nicht, die große Linde beim Friedhof ließ etwas von ihrem Blütenduft verspüren. Und Marias Töchter erzählten unter Tränen von der Schönheit und Größe ihrer Mutter, ihrer Grazie und ihrer Herzenswärme, es wurde erinnert und erzählt und gegessen und getrunken, und das plötzliche Wegsein war für einige Stunden aufgehoben.
Mimi wird am 1. Juli um 14 Uhr am Südwestfriedhof in Wien begraben. Es werden wohl nicht viele da sein.
ConAlma - 2010-06-19 23:01
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