Dass gerade Hélène Grimaud, exzeptionelle Pianistin, die
Sendung über die Männerkonstellation rund um Clara Schumann, exzeptionelle Pianistin, moderierte und mit Eigengedanken beleuchtete, fügte eine nicht unwesentliche Authentizitätskomponente bei. Nur einer prononcierten Künstlerin nehme ich Interpretationen über ein Künstlerinnenleben ab, das neben der nach außen getragenen Harmonieintensität viele innere Brüche birgt.
Der Briefwechsel Clara Wieck - Robert Schumann ist Traumstoff zahlloser liebender Paare: der Kampf gegen den unnachgiebigen Vater führt zur steten Überhöhung der Liebesmacht. Der schriftliche Gedankenaustausch zieht sich dann auch weiter durch die Zusammenlebensjahre, bedingt durch die vielen Konzertreisen Claras, aber auch durch das Führen eines gemeinsamen Tagebuches.
Was, wenn sie die Möglichkeiten des Weblogs gehabt hätte(n)? Wenn andere hätten mitlesen können? Wie hätte es den Ausdruck Claras verändert? Hätte sie darin nicht eine Form von Unterstützung für ihre eigenen Bedürfnisse gefunden?
Denn trotz aller Liebe und Loyalität war es keine so ohne weiteres akzeptable Sache für sie, ihr musikalisches Eigenleben hinter das ihres Mannes zu stellen. Übungsverbot, damit er beim Komponieren nicht gestört wird. "Wie schwer mir diese Entsagung fällt, kann ich niemandem sagen." Ihre eigene Kompositionstätigkeit als überspannte Weibergeschichte ins Abseits gestellt, sodass sie selbst an der Qualität zu zweifeln begann, sich dem Männerurteil hingab. "Das Weib steht doch noch höher als die Künstlerin", tönt Robert. Was aber, wenn sich das Weib zuallererst als Künstlerin begreift? Ohne Kinder könne sie sich ein Leben vorstellen, ohne Musik nicht. Ein Sohn liegt sterbenskrank daheim. Sie verabschiedet sich zärtlich, aber folgt ihrem eigenen Ruf, spielt ihr Konzert. "Und dennoch spielte ich ganz glücklich, ohne eine verunglückte Note."
Künstlertum erfordert eine gehörige Portion Egoismus, sagt Frau Grimaud. Sie blickt mit einem klaren, ungeschminkten Gesicht in die Kamera, ein gänzlich attitüdenfreier Blick, der alle Mythengeschichten um sie herum in anderem Licht sehen lässt. Sie spielt Schumann, Robert und Clara. Eine zarte Figur, aber die Oberarme kräftig, die Finger energiegeladen.
Die Loyalität (aus Verantwortung, aus Liebe?) zu Robert hielt Clara Schumann auch über seinen Tod hinaus aufrecht, auch angesichts des stürmischen Liebesdrängen eines jüngeren Johannes Brahms. Einiges dessen, was hier an Briefwechsel stattfand, ist vernichtet. Das Bild der Großen Liebe ist durch keine verfänglichen Worte getrübt. "Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht" - dieses Heine-Gedicht vertonte Robert Schumann in der Dichterliebe. Er hatte wahrlich keinen Grund zu grollen, und doch grollt das Klavier gegen die Worte in einem fort.
Ist ein eigenständiger weiblicher künstlerischer Kopf im Haus Grund für Groll?