Sonntag, 30. April 2006

Best of Zillertal: Der Metzgerwirt

Am Wirtshaus versuchen sich manche. Nur wenigen liegt es im Herzen. Johannes Hell aus Uderns im Zillertal ist ein junger Wirt, dem wahrlich viel im und am Herzen liegen muss. Nach fünf Jahren Feinschliff in einer der profundesten Ausbildungsstätten für große Küchensprache, bei Hans Haas im Münchner Tantris, hätten sicher viele Wege in die weite Welt der vielbesungenen, hochbewerteten und auch hochdotierten Kochkünstler geführt. Er aber entschied sich für den Weg nach Hause.

„I will des Wirtshäusl“, sagt er, mit strahlender Überzeugung in der Stimme, mit einem energischen Leuchten in den Augen, selbst nach einem langen Sonntag voller Arbeit, als er, nachdem alle Hauptgänge und Desserts ihren Weg zu den Tischen gefunden haben, seine Runde zur Feststellung der Zufriedenheit durch die Stuben macht. Kurz darauf sitzt er noch bei den Ortsansässigen an der geräumigen Bar im Eingangsbereich (das, was in jedem guten Wirtshaus der Tresen ist), um bei einem Feierabendbier in feinstem Zillertalerisch die Ortsagenden zu besprechen.

2003 wurde mit dem Umbau des schon seit dem 17.Jahrhundert in Familienbesitz befindlichen und als Wirtshaus wie Metzgerei geführten Hauses begonnen - weitläufiger, offener Eingangsbereich mit Bar und großem runden (Stamm)Tisch neben der Küche, helle Stuben von dezenter Ländlichkeit bis Landhauseleganz - in den auch die damaligen Stammgäste mit einbezogen wurden: denn solche sollten sie weiterhin bleiben, auch wenn aus der Küche ganz neue Töne zu vernehmen sein würden.

Die Verschmelzung von Stammwirtshaus und elaborierter Küche scheint, im Rückblick auf zwei aktive Jahre, gelungen: die Stammgäste kommen teilweise von weit her, sie sind aber auch neu dazugewonnen, aus erstem vorsichtigem Schnuppern regionaler Anrainer vom Schnitzerl und Rostbraten hin zum regelmäßigen viergängigen Menü überzeugt. Und genau das ist das Anliegen von Johannes Hell: das Vermeiden jeglicher elitären Anmutung, alle sollen hier ihren Platz finden – und sich auf persönliche Entdeckungen einlassen können.

Seine Küchenphilosophie ist geprägt von einer prägnanten, doch auch immer wieder verspielte Sprache; alle Gerichte sind Muster der Farbgebung: beim letzten Menü war auf allen Tellern der Frühling zu sehen, mit viel Grün, ein bisschen erdigen Noten sowie zarten Gelb- und Orangetönen. Ganz wirtshausmäßig ohne überflüssige Präliminarien wie Mehrfachgrüße aus der Küche fiel man in den ersten Gang, Farbton gelborange: warme Miesmuscheln auf Fenchelsalat in Safransud, dazu – rötlich – der mürbe marinierte Thunfisch, das Grün kam von den Erbsenschoten. Der Brotsalat mit Kaninchen spiegelte die Lage der noch wenig farbbelebten Felder draußen wider: eine hauchdünne Scheibe Ciabatta als Namensgeber, viel junger Salat mit Kräutern, breite Bohnen in feinen Scheibchen mit kräftigem Senfdressing; dazu ein feines Stück Rücken samt sämiger Bratenfondsauce und, als Krönung, eine in hauchfeine Fleischscheibchen gewickelte Kaninchenniere. Wärmendes Gelb wieder in der Kokoskarottensuppe, ein Beispiel für schwebende fruchtige Süße und sanfte Schärfe. Das Milchkalbbeuscherl vom Regionalteil der Karte war zartest, fein papriziert, mit reichlich Wurzelgemüsestreifen versehen, und von einem Minisemmelknöderl der flaumigen Art geziert. Der Zander leuchtete mit güldener Kruste, darunter verbarg sich saftiges Fleisch; Frühlingsfrische brachten die Bärlauchgnocchi, den erdigen Anteil Zitronenseitlinge in würziger, suppiger Sauce. Bei der Patisserie schlägt die geschulte Hochküchenhand durch, was da getürmt und geschichtet wird, ist eine Augenfreude; all das, was in den vorhergehenden Gängen so wohltuend ausgespart worden war, das darf jetzt sein, wie etwa im Dreierlei vom Kaffe, zelebriert in verschiedenen Cremen, Schäumen und Temperaturstufen als kalter Cappuccino, Eis und Latte macchiato.

Großes Anliegen sind dem Wirt und seiner Frau Alexandra auch die Weine: die Karte nimmt Stück für Stück zu, reicht von Österreich über rare Regionen wie Priorat, Marken und Kalabrien bis nach Neuseeland und ist von entwaffnend gastfreundlicher Kalkulation; um ausreichende glasweise Weinfreuden muss man auch nicht bangen. Die bereits nach so relativ kurzer Zeit spürbare Kontinuität ist auch den Damen vom Service, die seit Anfang dabei sind, zu verdanken; sie gehen mit ausgesprochen natürlicher Herzlichkeit bei unaufdringlicher Professionalität ihren Aufgaben nach.


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karrri - 2014-06-24 12:18
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einfach nur schön finden geht auch
uferlos - 2011-10-08 00:28
lasst mir noch ein bissl...
lasst mir noch ein bissl zeit. vielleicht gibt es ein...
ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
Was gab's denn so wichtiges anderswo?
rinpotsche - 2011-10-07 00:37
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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