Samstag, 12. August 2006

Mit Gernstl reisen: Rumfahren auf der Suche nach Irgendwas

Manchmal war ich an Elizabeth T. Spira und ihre Alltagsgeschichten erinnert. Aber nein, dann doch nicht: da war kein entblössender Blick, kein insistierendes Fragen aus dem Off, das die Kameravorgeführten in die Bredouille brachte, sondern vielmehr Schauen mit offenem Mund, Raum geben, der genützt werden konnte oder nicht, und immer wieder ein bisserl sympathische Selbstdarstellung der anfänglich zwei, dann drei durch die Lande Reisenden.

Erst den 10. Längengrad von Süd nach Nord, dann am 51. Breitengrad gen Osten, rund um Bayern und schließlich den Alpen entlang: von den Achzigern bis heute herauf durch die Zeit. Immer wieder ist von einem Auftrag die Rede, dem selbstgestellten Auftrag, mit Menschen zu sprechen, die wissen, wie man richtig lebt. Das entbehrt nicht gewisser Skurrilitäten, hat aber doch meist große Ernsthaftigkeiten, und gelegentliche Ausrutscher ins private-video-genre entschuldigt man angesichts von trockenem bayrischen Humor und immer präsenter Selbstironie.

Die Kameraeinstellungen sind starr, statisch, und wenn einer nicht reden will, dann wird nicht abgeschwenkt, wer lacht zuerst, möchte man hier als Spiel dahinter vermuten. Wenn gleich zu Beginn eine Glückssuche angesprochen wird, so geschieht dies nicht durch den Autor, sondern legen sie sich Gefilmte selbst in den Mund, konterkariert von Kommentar und Bildern, die alle Interpretationen zulassen, so wenig manipulativ sind sie: wenn ein Hippipaar mit Kleinkind im Wald, "ausgerechnet in der Einflugsschneise eines Flughafens", campiert und diffus von der Suche nach dem verlorenen Glück plaudert, nach dem, was ich nicht kenne, nach dem Herz, so kann man das als etwas verhuschten Ausdruck eines ehrlichen Bemühens nehmen oder - darüber lachen.

Und so wurde viel gelacht im Kino, gestern um sechs, es waren vor allem Bayern, die zu dieser frühen Stunde den Film sehen wollten. Aber ich glaube nicht, dass es schadenfrohes Lachen war, vielleicht war es manchmal Ausdruck von Verwunderung, wie denn solche Leben überhaupt möglich sind, und ja, die fast peinlichen Augenblicke eines Sich-Blöße-Gebens der unfreiwilligen Akteure, die wohl glücklich waren, sich einmal darstellen zu dürfen, keine Scheu hatten, Intimes von sich zu geben, das - nach meinem Empfinden - behutsam aufgenommen wurde.

Da war der Boxer, der seine ganze Zeit in die kleine eigene Boxschule investiert, und der bei der Frage nach der Frau und deren Verständnis dafür bei seiner Antwort, dass sie mehr oder weniger ihr Leben lebe, ganz unvermutet in Tränen ausbricht, er, der harte Mann inmitten des Männerkampfsportes.

Köstlich das alte Paar im Osten, sie schon etwas schwerhörig, das als Beispiel für das Funktionieren dauerhafter Liebe geschildert wird, seine Antwort auch sehr schön ist (das Ineinandergehen zweier Seelen), wo aber irgendwann im Gespräch ihr Eigensinn zu Tage tritt, da der Mann doch immer alles mögliche mitbringe von seinen Spaziergängen, aber das, wonach ihr verlange, einfach nicht bringe. Und Blümchen sind das gewiss nicht.

Es sind in sich versunkene Menschen, die da allen lebensumstandsbedingten Widrigkeiten zum Trotz eine Zufriedenheit ausstrahlen; freilich, weil sie nichts anderes kennen, nichts anderes können auch, bescheiden vom Wesen her und manchmal auch bescheiden im Geiste.

Der ehemalige Pfarrer und Käsemacher, der mit seinen Bakterien kommuniziert, damit der Käse gut gerate; der alte Mann in den Südtiroler Bergen, der auf seinem Ansitz in der Höhe allerhand Kunstgebilde wie eine riesige Stahlkugel, die die Welt einfängt, um sich hat und es nicht erwarten kann, endlich Wein (aus einem güldenen Pokal) zu trinken; der selbsternannte Guru am Wörthersee, der mit fast nichts auskommt (Jesus braucht keine Badehose), der Chirurg in seinem alternativen Tierprojekt oberhalb von Villach, das eher einem zufälligen Durcheinander gleicht, (Sport ist Privileg der Landlosen); der elegant in schwarz gewandete Herr am Chiemsee, der seinen Dr.Phil. aus plötzlicher Universitätsangst knapp nicht geschafft hat, mit wohlgesetzten Worten zu plaudern versteht und doch auf Heimbetreuung angewiesen ist: allesamt Männer, fällt mir auf, die irgendwo hängengeblieben sind oder ohnehin nie eine Chance hatten.

Und die wirklich Zufriedenen, die ein sehr bewusstes Leben haben, die Bergbäuerin, scheu und wortkarg, der Schreiner (der ganz in der Nähe meines Wohnortes lebte), er erst spät seine eigentliche Berufung gefunden hatte und sehr überzeugt und überzeugend von sich spricht, der Wünschelrutengänger, der dem armen Tonmann gleich einen ganzen Körper voller Unruheherde attestiert, und der nur "einen Hubschrauber und eine Sekretärin" benötige, um wirklich Großes leisten zu können.

Wie sagte da einer?: Man darf nicht fragen, wozu das alles Sinn hat. Oder anders: Einfach das Leben leben und nicht auf Besseres warten. Selbst sind die Filmmacher ins Auto gestiegen und haben's genommen, wie's kommt.

Was ich entgegen der Ankündigungen jedenfalls nicht gesehen habe: einen absichtlichen Film über die Suche nach dem Glück. Da bleib ich schon lieber bei der Eigendefinition: auf der Suche nach den besten Weibern, dem besten Bier, den besten Bratwürsten. Dass dabei anderes gefunden wurde, ist schon gut so.

Und so ging ich gestern mit einer feinen Heiterkeit aus dem Kino.

Fundspruch 3: rechtschreibung

VON FRIEDRICH ACHLEITNER


will man, dass zwei menschen glücklich zusammen leben, muss man zusammen leben getrennt schreiben. will man aber, dass sie sich schnell in die Haare kriegen, kann man sie ruhig zusammenleben lassen. denn was immer aufeinanderpickt (welch ein grauenhaftes wort), liegt schnell in streit. das prinzip gilt auch für in streit liegen. will man, dass sich paare wieder vertragen, schreibt man besser in streit liegen, während instreitliegen andauerenden hader verspricht. das wäre ein neuer ansatz für eine weitere reform der rechtschreibreform. da könnten sich die reformer richtig zusammenraufen. was allerdings garantieren würde, dass sie dann auch richtig zusammen raufen könnten.


Ich finde, das ist eine gute Anleitung für präzisere Ausdrucksweise.

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