Samstag, 31. Mai 2008

Das Leben ohne mich

Es gibt Spuren. Ich war vier Tage nicht zu Hause, in der Wohnung riecht es nach Zigaretten. Das Wohnzimmer ist merkwürdig aufgeräumt, im Handwaschbecken des Gästeklos liegt ein nicht gänzlich abgeschleckter Löffel mit Haselnusscreme, im Geschirrspüler stehen alle verfügbaren Wassergläser. Im Badezimmer riecht es nach Parfum, meinem Parfum, das ich von der Tochter zu Weihnachten bekam, Kenzo. Ich benütze es nie, seit ich mich so intensiv mit Wein befasse, vertrage ich kein Parfum mehr.

Der Garten ist noch struppiger geworden. Am Handrasenmäher klebt frisches Gras, die Gartenschere liegt auf dem Tisch, ein Drittel der Wiesenfläche ist in einem Zustand zwischen abgerupft und niedergedrückt. Die Nachbarskinder sagen: Da waren viele Mädchen und Buben, ganz viele, doch sie vermögen nicht zu sagen, ob das nachts war oder heute tagsüber. Der Sohn war alleine, ist gestern erst gegen 22 Uhr heimgekommen, mit zweistündiger Verspätung aus der fernen Schule; als ich grad vorhin kam, war er schon wieder unterwegs. Was tut ein Fünfzehnjähriger in dieser Kleinstadt an einem Samstagabend? frag ich mich, ich weiß nichts mehr von ihm, seit er ins Südsteirische pendelt, wer hat mein Parfum benützt, wundere ich mich wieder, was geschieht da in diesem Leben ohne mich?

Jetzt warte ich, dass das andere Kind, die eine Tochter, von einer Sprachwoche in Nizza zurückkommt. Auch sie hat Verspätung, der Bus hatte in der Schweiz einen Kupplungsschaden. Ich muss morgen Mittag wieder weg, sie wird ihr Pflichtpraktikum am Montag ohne mich beginnen.

Rot: Sonne, Mond, Erde

Ich liebe diese kleinen Verrücktheiten, diese Heimlichkeiten, wenn niemand weiß, wo ich gerade bin oder war, also niemand von jenen, die mir nahe sind. Diesen Blick hatte ich schon lang nicht mehr, um halb sechs die Sonne über den Dächern Wiens aufsteigen zu sehen, eine Viertelstunde später dann schon über den Praterauen. Gestern abend war vom Mond über Wien die Rede gewesen, wie er vor zwei Jahren, beim Nussbergfest im Rahmen der VieVinum, als überdimensionaler roter Ballon plötzlich am Horizont aufgestiegen war. Dieser Blick über die Stadt vom Nussberg aus, so unermesslich, kleine Karpaten, Leithagebirge, Weite in alle Richtungen, und dann erhebt sich da plötzlich dieser riesige rote Vollmond und steigt empor, sein Schweben überträgt sich auf die Menschen, bis er schließlich klein und weiß auf dem von samtblau ins Nachtschwarze sich wandelnden Himmel festzustehen scheint.

Gestern aber saß mit 11 Weinfrauen in einem der schönsten Gastgärten der Stadt, nicht mit diesen 11 Frauen, wiewohl zwei von ihnen dabei waren, wir tranken Rote Erde, die Weine vom Spitzerberg haben allesamt einen eigenen Duft, Veilchen vielleicht, egal welche Rebsorte, das sei der Kalk, sagt die Weinmacherin, der diese Vielfältigkeit schaffe und viel mehr hergäbe als der sonst so gerühmte Schiefer.

Die russische Weinjournalistin mir gegenüber ist eine bemerkenswerte Person, sie lebt am Comer See, ihr Nachbar ist George Clooney, seine Villa sei zu mieten, las ich grad gestern, für 120 000 €, die Woche, versteht sich. Ich freue mich über den Kontakt, überhaupt hatte ich mich auf dieses Zusammentreffen mit allen gefreut, sechs Stunden Zugfahrt, dazwischen fünf Stunden Schlaf für einen Abend mit Frauen und Wein, ja ich mag diese kleinen Verrücktheiten, da geht mir keine Energie verloren, solche Abende sind ein Gewinn.

Arbeit und dann Familie holen mich nun zurück, am Nachmittag liest Bodo Hell bei uns im Geschäft (das Literaturfest ist eine der noch zu schreibenden Geschichten von gestern), es gibt auch kein Nussbergfest heuer für mich, Martha Argerich kommt auch nicht, ich hatte mir gewünscht, sie einmal zu hören, aber der Abend morgen wird dennoch rot werden, spätes Mahl in der Roten Bar.

Am Montag aber wird Wein sein.

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bobby-braeuer

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ulovesexdoll - 2018-12-13 06:51
Wow, ich mag das Licht...
Wow, ich mag das Licht und die Anzüge! Vokalmusik ist...
karrri - 2014-06-24 12:18
einfach nur schön finden...
einfach nur schön finden geht auch
uferlos - 2011-10-08 00:28
lasst mir noch ein bissl...
lasst mir noch ein bissl zeit. vielleicht gibt es ein...
ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
Was gab's denn so wichtiges anderswo?
rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
Erwischt... und Sie fehlen...
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katiza - 2011-10-06 10:34

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