Mittwoch, 21. Januar 2009

Die Liebesbriefe

Dieses Mal sollten sie nicht mehr mitwandern, ich wollte nicht mehr erinnert werden an Schmerz, Lügen, Schwüre, Angst, endgültig trennen wollte ich mich von ihnen: den Liebesbriefen, die mir die erste große Liebe zwischen 1975 und 1976 geschrieben hat.

Einen nur, in einen lese ich rein, dann kommen sie zum Altpapier, dachte ich, und ich las Meine wunderbarste Frau, Mein geliebtes Engerle, seitenweise Liebesbekundungen, und am Schluss immer dein dich liebender Mann, dieses Mann und Frau sein war uns damals wichtig gewesen, für immer wollten wir's sein. 1990 ist er gestorben, an einer Überdosis, unsere gemeinsamen vier Jahre waren von seiner Sucht gezeichnet gewesen.

Aber im Lesen dieses einen Briefes erinnerte ich mich nur an das erste Entflammen, Brennen, das verzehrende Lieben. Und ich nahm die Briefe und bettete sie sorgsam in eine größere, schönere Schachtel. Sie bleiben bei mir.

Dienstag, 20. Januar 2009

Zwei kleine Italiener ...

... die träumen von kommen aus Napoli.

Ein wesentlicher Punkt des Projektes Übersiedlung kann abgehakt werden: Nachmieter gefunden, was aufgrund einer vorzeitigen Auflösung des Mietvertrages meinerseits unabdingbar war.

Es sind tatsächlich zwei kleine Italiener aus Neapel, die von den "individuellen" Bedingungen der Wohnung (rustikaler Wandverbau in Eiche als Überbleibsel eines ehemaligen Büros, der mir als kostbarer Stauraum für gesammelte Taten und Werke diente) wenig Federlesens machen: fascimmo n'ufficio!

Das erinnert mich an jene ferne glückliche Zeit, als ich in der Stille der Unibibliothek saß und unter dem vom langen Sommer gebliebenen Eindruck der wie ständiger Gesang nachhallenden Spracherfahrung eine neapolitanische Grammatik studierte.

Jetzt aber auf der Tagesordnung: innert zwei Tagen das, was ich hab und gut ist, auf die lebensnotwendige Hälfte zu komprimieren, auf dass es Platz finde im neuen Mini-Heim. Kinder, braucht ihr das alles wirklich noch?

Sonntag, 18. Januar 2009

zögerlich, aber doch:

Umzug!

Weshalb sich Geschichten von gestern ansammeln.

Montag, 12. Januar 2009

gütlich tun

tua fei güatla sagt die urwüchsige, dem Unterland verwurzelte Freundin gerne, wenn sie ihren Kindern oder auch anderen den Rat gibt, sanft und behutsam vorzugehen, nicht zu eilen und zu drängen.

Ich habe heute gütlich getan sagte der Geliebte auf die Frage nach seinem von schwerer Erkältung gezeichneten Zustand. Es war seltsam, eine Wendung, die mir nur aus dem Dialekt bekannt war, ins Hochdeutsche verwandelt zu hören. Das gütlich tun ist selbst als reflexives Verb aus dem aktiven Sprachschatz fast verschwunden, und die dialektale Verwendung ist wohl auch als rar zu bezeichnen. Dabei ist es ein so treffender und schöner Ausdruck. Hiermit tue ich für den Rest des Abends gütlich ...

Sonntag, 11. Januar 2009

Amerikanische Nacht

Ein solcher Wintervollmond ist das perfekte Setting für eine Amerikanische Nacht. In der Umrundung des Wilden Kaisers wird die Nachthelle erst so recht deutlich, selbst der Buxbaum im Garten wirft scharfe Schatten.

Freitag, 9. Januar 2009

Der Geruch von gekochter Milch

Scharlach - das war zu meinen Volksschulzeiten noch ein F'all für Desinfektion, Quarantäne, Krankenhausaufenthalt in einer geschlossenen Abteilung für vier Wochen. Bei mir war's über Ostern, Scharlach-Pavillon im Wilhelminenspital, Besuch nur hinter Glas. Die alte Krankenhausarchitektur wusste ich damals nicht zu würdigen, die entwürdigende "Pflege" ist mir bis heute so präsent in der Erinnerung, als wär's nicht über 40 Jahre her.

Ich war ein Beispielfall, durfte mich von Studenten examinieren lassen. Und so lag ich, knapp 10jährig, auf dem Untersuchungstisch, sie schoben mir das Hemdchen hoch, unter dem ich weiter nichts trug, um den Ausschlag begutachten zu können. Und so lag ich da, hilflos, ausgesetzt, angestarrt. Und dann die Zunge: die Himbeerzunge. Mach den Mund auf, sagten sie, ich schüttelte den Kopf, presste die Lippen aufeinander. Doch ich musste, und so sahen sie keine Himbeerzunge, ich hatte zuvor ein Schokolade-Osterei gegessen. Aber ich konnte das nicht als kleinen Triumph verbuchen für die Schmach der Nacktheit, ich fühlte mich so ohnmächtig und verlassen.

Schon um 6 Uhr morgens mussten wir ins Bad, Badewanne, danach mit nassen Haaren wieder ins Bett gesteckt. Die Putzfrau war eifrig mit lüften, als ich entlassen wurde, hatte ich fast eine Lungenentzündung. Und dann war da die Milch in der Früh, die war einmal so verkocht, dass ich danach nie mehr Milch pur trinken konnte, auch nicht kalt. Vorhin ist mir die Milch für den Kaffee übergekocht: der Geruch hat mir sofort wieder die alte Scharlachgeschichte hervorgeholt. Wär da nicht ein etwas älterer, lieber Junge gewesen, der mir manchmal am langen Esstisch gegenüber saß und ebenso wie ich am Sonntag in irgendwelchen übertragenen fremden Gewändern zur Kirche ging (das war Pflicht - eine Extra-Messe für die "Aussätzigen") und dessen Anwesenheit mich zu Tapferkeit anspornte, ich hätte wohl öfter ganz still ins Kopfkissen geweint.

An den Rändern der Peripherie

Ein nächtliches Bewerbungsschreiben hat einen augenscheinlichen Pleonasmus ans Tageslicht befördert - oder ist's Tautologie? Redundant jedenfalls.

Doch wie immer bei -schein-, er trügt. Denn ich malte mir das Bild einer Peripherie, also einem irgendwie geformten Rand von etwas, die ja auch wo enden muss: und solcherart bedarf sie dann wirklich eines Randes. Genau auf diesem Rand geht herr schneck spazieren, mit vielen anderen, zeichnend mit Zeichen aller Art.

Was jenseits dieses Randes sei? Sicher nicht nichts. Vielleicht stößt einfach der Rand einer anderen Peripherie dran!

Dienstag, 6. Januar 2009

Einhundertzehn

Die nächtliche Autobahn liegt in Düsternis. Der Himmel hängt weit übers Mittelgebirge herunter, Sterne und Mond verkriechen sich in ihren Nebelverstecken. Aus der Eintönigkeit gedrosselter Geschwindigkeit reißt ein plötzlich über dem Kopf auftauchendes Leuchten, weiße Ziffern in rotem Kreis, Einhundertzehn! ruft es in die Dunkelheit, und wenige Meter danach wieder: Einhundertzehn! Und wieder ein drittes, viertes, gar fünftes Mal, wie sähe dies bei David Lynch aus? Da wüchse diese Geschwindigkeitsansage plötzlich aus der Fahrbahn heraus, käme direkt auf den Schädel zu, riesengroß, und knallte gegen die Stirn. Trotz Schwere des Beines ist der Fuß nicht in der Lage zu beschleunigen, Hundert zeigt der Tacho beharrlich, ein irritierend flirrendes Hosanna in Excelsis ertönt aus dem Autoradio, schwebt mir mir durch die Nacht, Orgel, Stimmen, Akkordeon, mittelalterlich und doch nicht, Zeitton, Hosanna, wie lang noch der Weg?, Einhundertzehn wandert beharrlich über den Kopf hinweg, doch endlich erlöst die ungerührt in Talesmitte thronende Festung in ihrem nächtlichen Lichtgewand.

Samstag, 3. Januar 2009

Foolish Things

Freilich fielen mir Geschichten ein oder Gescheh'nes zu erzählen, dass ich so früh im Jahr wie nur einst zu Schulzeiten auf der Piste war, Hasensprung und Weibermahd, Neujahrsschilauf, weil ich den Hirschen zu einem spontanten Silvesterausflug nach Lech überreden konnte, nach getaner Arbeit, ja, diese getane, zu viel getane Arbeit der letzten Wochen ist es wohl, die mich so selten an die Tastatur treibt und mich, wenn einmal davor festsitzend, weniger an die Ausformulierung der Einfälle von Unterwegs denn vielmehr an foolish things (dankenswerterweise im heutigen Diagonal zu Simone de Beauvoir gehört) denken lässt. Nein, Neujahrsvorsätze gab es keine, es gibt nur viel zu tun.

Nun aber werde ich (der Dank geht an 3sat) das Schneegenuss-bedingt versäumte Neujahrskonzert nachholen, weil es offenbar Bemerkenswertes zu sehen gab - wie ist's wirklich gewesen, Musicus?

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ConAlma - 2011-10-07 11:40
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rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
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katiza - 2011-10-06 10:34

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