Georges Prêtre, Dirigent und Bilderzeichner.
Nach langer Zeit wieder einmal im Goldenen Saal. Bizets Erste Symphonie ist ein für mich gänzlich unbekanntes Werk; spätestens im zweiten Satz bin ich ganz im Banne der Musik, als die Oboe so zart und intim das Thema anstimmt. Vor allem aber bin ich im Banne jenes Mannes, der den Abend auf eine Weise gestaltet, wie ich es so noch nie erlebt habe: Georges Prêtre. Mit minimalen Gesten hält er jeden einzelnen Musiker bei sich, die Finger machen kleine Bewegungen, vor allem aber sein Gesicht spricht. Die expressive Mimik erzählt alles, was er sagen will, mit Augen und Mund baut er Beziehungen auf, zu Instrumentengruppen, zu Einzelpersonen, zum Orchestergesamt, zu den Zuhörern, zur Musik selbst.
Er macht bildhaft, was er hört und sieht in der Musik, lässt uns teilhaben an seinen Blicken, transportiert mit seinem Körper ganze Bilderwelten, lässt sie durch die Musiker vor uns erstehen. Zwei Mal legt er den Taktstock ab, im zweiten Satz bei Bizet, im dritten von Mahlers erster Symphonie. Hier zeichnet er mit beiden Händen weiche Gesten in den Raum, füllt ihn mit Emotionen. Die linke Hand baumelt zu Boden, es gibt kaum Bewegung, dann legt er sie ans Herz – was für ein Glück muss es sein, mit ihm musizieren zu dürfen.
Ja, es ist ein unentwegtes, unbändiges Musizieren, auch in den verhaltensten Augenblicken, mit den fast nicht mehr hörbar dahinflirrenden Violinen, den weich aus der Tiefe steigenden Bratschen. Der mitreißenden Lebendigkeit dieses Mannes, der da nicht nur das Orchester, sondern den ganzen Saal in seinen Händen hält, ist Hingabe gewiss, er verführt zu Lachen, wenn er verschmitzt ins Musikerrund lächelt, da oder dort ein Detail einmahnt, er lässt mittanzen und mitsingen. Und vor allem fühlen.
Was ich an diesem Abend aus Mahlers Erster heraushöre, ist um so vieles differenzierter, als ich es bislang kannte. Und mir bestätigt sich in aller Deutlichkeit, was ich bei Mahler auch sonst immer wahrnehme: neben all der Landschaftsmalerei, den Wald- und Wiesenidyllen ist eine zweite, ungewisse Ebene stets gegenwärtig, als ginge man frohgemut über grünes Gras, bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher, und plötzlich verdunkelt sich der Himmel, unsicherer Boden liegt vor einem, Moor oder Treibsand, irgendetwas, das einen in Abgründe ziehen kann. Doch plötzlich sind da wieder die vertrauten Töne, unbedarfte, bodenverwachsene Tanzmusikklänge. Ständig wähne ich mich Traumwanderungen, wo die Szenenwechsel zwischen Freude, Heiterkeit und Alb so unvermittelt kommen.
Irgendwann, als Prêtre die Philharmoniker nur scheinbar entfesselt, aber mit raschen, kleinen Schlägen des Taktstockes geführt und gehalten, in einen Rausch aus Vollklang und Tempo geleitet, denke ich mir: was, wenn Gustav Mahler, dieser ernste, trockene Mann, der sich ein lebenshungriges Mädel zum Weib genommen hat, diese unbändige Kraft und Leidenschaft, die in seiner Musik wohnt, öfter in den dürstenden Schoß Almas gelegt hätte?
+++
Ebenso selten wie die Kinder sehe ich auch den Hirschen. Aber zwei Stunden gemeinsamen Musikerlebens sind von solcher Tiefe und Energie, dass damit so viele fehlende gemeinsame Stunden wettgemacht werden. Fünf Jahre Altersunterschied sind zwischen Prêtre und ihm, fällt mir auf, in fünf Jahren werde ich (Wunsch? Gewissheit?) ebenso wie die Musiker auf diese kleinen Bewegungen der Hände reagieren, die mich auch jetzt auf dem Weg halten. Keine großen Gesten, keine großen Worte - aber Achtsamkeit und Intensität im Kleinen.
Er macht bildhaft, was er hört und sieht in der Musik, lässt uns teilhaben an seinen Blicken, transportiert mit seinem Körper ganze Bilderwelten, lässt sie durch die Musiker vor uns erstehen. Zwei Mal legt er den Taktstock ab, im zweiten Satz bei Bizet, im dritten von Mahlers erster Symphonie. Hier zeichnet er mit beiden Händen weiche Gesten in den Raum, füllt ihn mit Emotionen. Die linke Hand baumelt zu Boden, es gibt kaum Bewegung, dann legt er sie ans Herz – was für ein Glück muss es sein, mit ihm musizieren zu dürfen.
Ja, es ist ein unentwegtes, unbändiges Musizieren, auch in den verhaltensten Augenblicken, mit den fast nicht mehr hörbar dahinflirrenden Violinen, den weich aus der Tiefe steigenden Bratschen. Der mitreißenden Lebendigkeit dieses Mannes, der da nicht nur das Orchester, sondern den ganzen Saal in seinen Händen hält, ist Hingabe gewiss, er verführt zu Lachen, wenn er verschmitzt ins Musikerrund lächelt, da oder dort ein Detail einmahnt, er lässt mittanzen und mitsingen. Und vor allem fühlen.
Was ich an diesem Abend aus Mahlers Erster heraushöre, ist um so vieles differenzierter, als ich es bislang kannte. Und mir bestätigt sich in aller Deutlichkeit, was ich bei Mahler auch sonst immer wahrnehme: neben all der Landschaftsmalerei, den Wald- und Wiesenidyllen ist eine zweite, ungewisse Ebene stets gegenwärtig, als ginge man frohgemut über grünes Gras, bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher, und plötzlich verdunkelt sich der Himmel, unsicherer Boden liegt vor einem, Moor oder Treibsand, irgendetwas, das einen in Abgründe ziehen kann. Doch plötzlich sind da wieder die vertrauten Töne, unbedarfte, bodenverwachsene Tanzmusikklänge. Ständig wähne ich mich Traumwanderungen, wo die Szenenwechsel zwischen Freude, Heiterkeit und Alb so unvermittelt kommen.
Irgendwann, als Prêtre die Philharmoniker nur scheinbar entfesselt, aber mit raschen, kleinen Schlägen des Taktstockes geführt und gehalten, in einen Rausch aus Vollklang und Tempo geleitet, denke ich mir: was, wenn Gustav Mahler, dieser ernste, trockene Mann, der sich ein lebenshungriges Mädel zum Weib genommen hat, diese unbändige Kraft und Leidenschaft, die in seiner Musik wohnt, öfter in den dürstenden Schoß Almas gelegt hätte?
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Ebenso selten wie die Kinder sehe ich auch den Hirschen. Aber zwei Stunden gemeinsamen Musikerlebens sind von solcher Tiefe und Energie, dass damit so viele fehlende gemeinsame Stunden wettgemacht werden. Fünf Jahre Altersunterschied sind zwischen Prêtre und ihm, fällt mir auf, in fünf Jahren werde ich (Wunsch? Gewissheit?) ebenso wie die Musiker auf diese kleinen Bewegungen der Hände reagieren, die mich auch jetzt auf dem Weg halten. Keine großen Gesten, keine großen Worte - aber Achtsamkeit und Intensität im Kleinen.
ConAlma - 2007-11-10 10:44
Auch bei Mahler 2
Und Verehrte: Schon heute reagieren Sie präzise wie eine Konzertmeisterin auf diese kleinen Bewegungen der Hände und werden von ihnen auf dem Weg gehalten. Aber oder lieber und es ist nie allein die Willkür des Dirigenten, es ist das Werk, die große Symphonie Liebe, die das vollkommen macht.