Montag, 1. September 2008

Sad Songs

Befindlichkeiten andernorts machen mich nachdenken:

Wie kommt's, dass gerade für Traurigkeitszustände aller Art Songs der Popmusik besser greifen als noch so vertraute, melancholisch-schmelzende Klänge der (sehr unzureichend so definierten) E-Musik? Mahler-Lieder, Richard Strauss, Schubert-Kammermusik - was immer mir da einfiele, nichts scheint mir geeignet, jene fundamental in die Eingeweide dringende Aufwühlung zu bebildern, zu transportieren, als (sorgsam gewählte) Popsongs. Ein alter Johnny Cash zum Beispiel, ja!

Vielleicht hat ein profunderer Kenner der Materie hier eine Antwort. Mehr Erdung?

Sonntag, 31. August 2008

durchlässig

Nun weiß ich's, wie ich dieser Symphonie begegnen muss: mit allerhöchster Durchlässigkeit; so weit sein, dass mir die Grenzen abhanden kommen, um dieses wilde, bisweilen unbezähmbar scheinende Gebilde mit seinen disparaten Kapiteln einfließen zu lassen.

Gustav Mahlers Dritte Symphonie war mein persönlicher Festspiel-Abschluss, nicht anders als mit dem Geliebten hätt ich diesen erleben mögen, manches ist nur so und nicht anders vorstellbar. Hör ich mit ihm solche Musik, so ist es ebenso, als beugte er sich über mich, käme über mich, und ich, mit dem Moment des Aufnehmens: bin ich Meer.

Strahlend ist die Posaune, makellos in ihren Melodiebogen gegeben, unerschrocken der Musiker vor diesem großen Part. Wagner glitzert durch, Bruckner wohl auch, und alles, alles will hineingefügt sein in dieses Werk, die ganze Natur bekommt darin eine Stimme. Im letzten Teil dann, die Streicher weben so überwältigend Schönes, ist mir kein Halt mehr, mein Atem wird tief, ich spür die zu Klang geformten Noten bis in die äußersten Kapillaren, lege mich hinein in dieses Fließen, nicht aufhören soll's, dieses Empfinden -
doch Mahler setzt neu an, ganz zart mit den Flöten -

...mir ist manchmal selbst unheimlich zu Mute bei manchen Stellen, und es kommt mir vor, als ob ich das gar nicht gemacht hätte.

Ja, als hätte er Angst bekommen vor diesen Emotionen, die da durchdringen, denn als dann der sich langsam aufbauende Schluss immer drängender sich formt, klingt's nicht mehr so unkontrolliert weit, gar unendlich, sondern gezielt bombastisch, klar männlich, wohl gesetzt das Blech, die Tremolos, das Geflirre der Holzbläser: so viel kalkulierter als der "sich selbst gemacht habende" Abschnitt zuvor wirkt es (Man ist sozusagen selbst nur ein Instrument, auf dem das Universum spielt.)

Wiewohl, die Wucht macht wohl Gänsehaut, der den riesigen Raum füllende Applaus ist wie ein Rausch.

***

Der Hirsch ruft zum Frühstück zwischen Sonne und Bergen.
Schnittlauchbrot mit frischem Ingwer, Bauerneier im Glas, hausgemachte Marmeladen, grüner Tee.



[Die kursiv gesetzten Zitate sind dem Text von Walter Weidringer aus dem Programmheft der Salzburger Festspiele entnommen, der seinerseits G.Mahler zitiert.]

Freitag, 29. August 2008

Der Meerjungfrau Hals

Ein braunrosa Schleier legt sich über die Landschaft, ehemals üppiges Grün macht sich auf den Rückzug, die Wiesen atmen apfelschwere Ruhe. Wieder einmal hab ich Wege von hunderten Kilometern durchmessen, mich in neue Berge und lockendere Wiesenhänge verschaut, anderswo scheint schöner als daheim, der Reiz fremder Hausformen, die unbekannte Tiefe untadelig blauer Seen unter steilen Felswänden, was für ein Reichtum in der Welt! Und doch atmen wir ruhiger im Vertrauten, die Abende lösen sich in frühherbstlicher Stille.

...

Mir war viel erzählt worden von "Rusalka", so ergab sich nun die Gelegenheit, Dvoraks Oper selbst zu hören. Eine Inszenierung zum Hören, nicht zum Schauen, so schrill schien mir das Bühnenbild, das erste Bild ein billiges Puff, froschartig hüpfende Nymphlein darin, barockisierte Plastiksofas, und diese Projektionen an die Rückwand, waberndes Wasser mit Blüten und Schatten, muss ich sehen, was ich doch hören kann? Das Schloss des Prinzenin schrillem rot/weiß , ein weißer Flügel - wo ist Udo Jürgens?, die Hochzeitsgesellschaft eine Karikatur an herausgeputzter Dorf-Haute Volée, ist das gar der Ententanz? Die Ironie ist nur schwer zu begreifen, das Neon-Kreuz im Eck erinnert an versteckte Winkel in Neapel.

Die Augen also schließen, zumal mir ohnehin ein auftoupierter grauer Haarturm die Sicht auf die Bühne nimmt, und eintauchen in die wunderbaren Stimmen und Orchesterklänge. Mensch sein wollen, doch die Sprache nicht zu haben, wie lässt sich da lieben? Das Libretto macht Rusalka zur Kühlen, doch sie hat ihre Begierden, nur scheinen sie unvereinbar mit der Welt, in die sie sich selbst sehnte. Meine bislang gültige Meerjungfrau ist Ingeborg Bachmanns Undine, diese Inszenierung ließ mich nichts Schlüssigeres erleben.

Mit der Pause gab ich auf, mir selbst saß eine Jezibaba im Nacken, ich wollte keine weitere Verkrampfung im engen Gestühl riskieren, der Weg durch die Nacht war noch weit genug. So wusste ich allerdings nicht, ob die laryngitische und doch tapfer angetretene Camilla Nylund den ganzen Abend durchgestanden hat, ihre helle, klare und doch auch zu verzweifelter Kraft fähige Stimme aushielt.

Donnerstag, 28. August 2008

Uwe Schiefer ist euphorisch.

Dabei neigt er nicht dazu, ist sonst sparsam mit Voraussagen zum neuen Jahrgang. Doch was er bei der letzten Begehung seiner Weingärten sah, stimmte ihn frohgemut - auch wenn's bis zur Ernte noch dauert, alles noch geschehen kann. Denn im Hundertjährigen Kalender stünde zu lesen, sagt er, dass es 2008 keinen Wein gibt.

Das Gewicht der Jahre

Es stand
nie
außer Zweifel,
dass du alt seist
und ich
noch nicht.

Warum wiegen
plötzlich
die Jahre?

Montag, 25. August 2008

fast - slow - stop

Gut, dass ich ihn noch Live erleben konnte, schon im Slow-Stadium seines Lebens.

Gestern hieß es: Ich hab genug davon - gehabt?

Sonntag, 24. August 2008

mundgeblasen

Die intensive theoretische Beschäftigung mit Denk'Art löst spontane Lust auf Großes* und einen Habenwollen-Reflex aus.


*großen Wein in großen Gläsern

Samstag, 23. August 2008

Bereitschaftsutensilien

Früher in der Handtasche: Lippenstift und Kondome.

Heute stets dabei: Flaschenöffner und Dropstop.

Verlagerung der Begierden.

Der Tod und das Mädchen

Das Lied entdeckte ich in längst vergangenen Stimmbildungs-Stunden; der Tod gelang mir besser als das Mädchen, die Angst kam mir nicht recht über die Lippen. Zum gleichnamigen Streichquartett hege ich eine emotionale Bindung, so wie mir auch andere späte Werke Schuberts lieb sind wie das C-Dur-Streichquintett, das Quartett G-Dur D887 oder die späten Klaviersonaten.

Gestern nun traf ich auf Polanskis Interpretation des Themas, ein filmisches Kammerspiel, eine beklemmende Studie zu Schuld und Sühne. Unvorstellbar, dass Musik, geliebte Musik, zum Bestandteil von Folter werden könnte.

Mittwoch, 20. August 2008

Bodenhaftung

Auf der Suche nach dem entschwundenen Lieblingswirt wollten wir den Weg erst über kleine Pässe und dann der Südgrenze des Landes entlang nehmen, das Spuckerl* wär grad das rechte Fahrzeug dafür gewesen.

Doch Unwetterwarnungen ließen uns das Land von West nach Ost im kommoden Reisewagen queren, gut für (W)einkäufe. Am Retourweg tat's dann doch weh, die durchwegs in makellosem Sommerlicht sich öffenden Landschaften vom Grassnitzberg über Soboth, Rosental, Gailtal und Pass Thurn nach Haus nur "von oben" zu sehen, statt sie, mit reichlich triumphener Bodenhaftung, fast greifbar nah zu erfahren.

Aber die kleine Fahrt zum Osteopathen tags darauf, kurvenreich über Sudelfeld und Tatzelwurm führend, entschädigte ein wenig und ließ den Unterschied in Straßenlage und Unmittelbarkeit des Fahrgefühls noch deutlicher werden.

Der Lieblingswirt ward jedenfalls gefunden, kein Wirt allerdings mehr, sondern Projektvisionär, gastronomischer Mentor, strahlender Wegweiser innerhalb eines ehrgeizigen Gesundheits-Genuss-Unterfangens. Dafür aber führte er uns zu seinem neuen Lieblingswirt, der auch sofort der unsrige sein könnte, läge er denn bloß ums Eck, wie sich's für einen Lieblingswirt gehört. Best Backhendl ever. Lammleber. Rehbeuschl. Atemberaubendes Fingerspitzengefühl mit nur 23 Jahren.

extrazimmer



*[nicht das unsrige, aber die Landschaft passt ;-)]

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