aus dem kulturbeutel

Sonntag, 20. August 2006

Helden in Kitzbühel

G.B.Shaws Helden (Arms and the Man) ist ein dynamisches Stück, vollgepackt mit Ironie und Grundsatzfragen zum Heldentum. Dieser Bühnenevergreen scheint ideal für Gymnasialaufführungen und Sommertheater in der Provinz, wohl der Zugänglichkeit der Texte wegen und der Möglichkeit zu temporeicher Inszenierung.

Die in Kitzbühel vorgefundene Inszenierungsvariante aber war durch eine tiefgründige Musikbegleitung in ihrer Ironie noch verstärkt und überhöht worden: Otmar Binder, als Pianist für Theatermusik und Chanson in der Szene bekannt, mit der musikalischen Leitung betraut, hat revuehaft einzelne gut bekannte Songs eingeschoben, die schon in ihrer ursprünglichen Fassung Bezug zur jeweiligen Person und Szene hatten und von Regisseur Peter Faerber mit neuen Texten versehen worden waren - eine Bereicherung voll Witz und Tücke, ein doppeltes Spiel, Hinterlist zu Hinterlist!

Raina, die zunächst heldengläubige Tochter aus gutem Hause, windet sich verzückt zu "Lord is mine" von Supertramp; Mutter Katharina verrät ihre unerfüllten Träume, wenn sie zu Marilyn Monroes "I wanna be loved by you" den Schwiegersohn in spe besingen muss; der aufrechte, nur scheinbar naive Bluntschli darf Johnny Cashs "I walk the line" interpretieren, Major Petkoff fügt mit "King of the Road" seiner immer ins Lächerliche gleitenden Figur eine weitere Nuance hinzu, undsofort undsofort ....

Ich hatte jedenfalls große Freude im Erkennen und Zuordnen; schade, dass die an kühlen Abenden wenig heldenhaften Kitzbühler wohl das Feuer im Kachelofen dem wärmenden Lachen vorzogen.

Dienstag, 25. Juli 2006

Parsifal in Erl: Lasset die Kinder zu mir kommen!

Dritter Teil der Erl-Tage: Parsifal. Als Bühnenweihspiel passt es natürlich perfekt in die Kulisse des Passionsspielhauses. Dass ein Teil der Kostüme Anlehnungen an ortsübliche Trachten nahm, war mir weiters nicht störend. Auch die Landidylle im dritten Aufzug - Gurnemanz unter Schindeldach mit Ziehbrunnen - ist, wenn man ohnehin rundum nichts anderes sieht, keineswegs irritierend. Vor allem war generell das Bühnenbild eindrucksvoll, klar, sparsam. Hohe, drehbare Vierkantsäulen, die beim Öffnen des Grals Licht reflektierten. Der Gral selbst, eine elegante Designschale, im langen Tisch versenkt und mittels Hebemachanismus daraus aufsteigend. Überhaupt die Lichtregie: hinter dem Orchester, diesmal nicht stoffverdeckt, alle Farbschattierungen. Eine Balleteuse als Schwan, im dritten Aufzug als Heiliger Geist von den Toten auferstanden. Klinsgsors Zaubergarten: sehr bunt, geradezu schrill gewandete Blumenmädchen von bemühter, aber wenig wirkungsvoller Erotik, mehr laufsteggeeignet denn sexualchakraanimierend. Klingsor selbst: senfgelb gewandet, Sonnenbrille, und auf einer sich vor und zurück bewegenden Leiter turnend - das sorgte für manche Schrecksekunde im Publikum. Der Regieeinfall, eine Zigarre aus dem entmannten Schritt zu ziehen, genüßlich daran zu riechen, brachte auch keine neue Erkenntnis. Kundry, ganz in rot, verlockend, lasziv, großartig. Und selbst ihre Verwandlung in eine himmelsblickende Maria ist ihr abzunehmen. Als Parsifal der Sänger des Tristan von zwei Tagen zuvor: mit dieser Partie tat er sich eindeutig leichter, und vor allem als tumber Tor war er mehr als glaubwürdig, während die Transformation zum Jesus dann doch wieder mehr bemüht wirkte - da fehlt dem Sänger einfach die darstellerische Größe. Ganz hervorragend aber Gurnemanz als derjenige, der alles zusammenzuhalten versucht, irgendwann aber recht resigniert vor seinem Waldhütterl sitzt.

Kuhn bringt mit seiner Inszenierung ganz schön viel religiöse Bilder hinein, und das ist auch bis kurz vor Ende sehr schlüssig und stimmig. Aber dann: die Kinder! Die Erler Kinder, ohne die offenbar keine Opernserie hier auskommt! Gemäßen Schrittes, wirklich süß und lieb und hübsch und alles anzusehen, wandeln sie in Reih und Glied auf die Bühne, um dramatisch in betenden Gruppen niederzuknien. Die Rührseligkeit im Publikum war deutlich spürbar, um das Erlösungsgefühl aber war es damit schlecht bestellt.

Dennoch fand ich mich sehr friedlich in eine laue Nacht entlassen.

Sonntag, 23. Juli 2006

Beethoven Drei in Rot. In Erl.

Nach einem vornächtlichen Gewitter erblühte der gestrige Tag wieder in allerschönster Sommerhitze. In der vorletzten Reihe, wo wir saßen, hatte es zumindest 30°. Selbst ganz ruhig sitzend begannen sich ganz kleine Schweißbächlein zu bilden, man konnte spüren, wie die Feuchtigkeit durch die Poren nach außen drang.

Ich weiß nicht, welche Temperatur es über den Tasten hatte. Der Flügel stand ja viel weiter unten. Aber so viel weniger kann es nicht gewesen sein. Der Flügel war übrigens ein Faziol, das längste Modell dieser Firma und, wie mir mein einschlägiger Begleiter sagte, ein wirklich gutes Instrument. Nur beim Fortissimo sind Bösendorfer und Steinway im Vorteil.

Die Pianistin erschien ganz in Rot: glänzender Satin, Jacke mit langen Ärmeln. Das schwarze Schweißtuch lag griffbereit, wurde immer wieder über Stirn und Tasten geführt. Jasminka Stancul spielte Beethovens Drittes Klavierkonzert sehr virtuos, mit viel körperlichem Einsatz.

Als zarte Frau sprang sie immer wieder vom Sitz auf, um ganz ans linke Ende der Klaviatur zu wandern. Beim dritten Satz lachte sie sehr fröhlich. Es gab auch eine Zugabe, ein Bravourstück, neuere Musik, aber ohne weitere Angabe. Ich bin bei aktuellen Klaviervirtuosennamen nicht mehr bewandert. Aber es war ein schönes Erlebnis. Ich selbst war auch ganz in Rot gekleidet. Zum Glück saß ich ganz hinten.





Danach, bei weiter gestiegenen Temperaturen im Passionsspielhaus: Erste Symphonie von Bruckner. Ein an sich erfrischendes Werk, das noch sehr zerrissen wirkt, irgendwie unausgegoren. Wunderschöne Themen, aber sehr rau in der Zusammenfügung. Sicher nicht leicht zu spielen, viele Rhythmuswechsel oder -überlagerungen. Dennoch sehr typisch Bruckner.
Der Vorteil eines Orchesterkonzertes: man sieht einmal das Orchester, das sonst bei den Opern hinter dem Schleier nur zu erahnen ist. Viele hübsche junge Menschen, bei beiderlei Geschlechtern. Und vor allem: viele gute Musiker.

Wir hatten schon die Programmvorschau für 2007 in Händen: Da spielt das Orchester 3 Wochen durch. Wagner-Opern, immer von Freitag bis Donnerstag.

Bei lauen Nachttemperaturen im Gastgarten danach: Högl Riesling Federspiel Bruck 1999 - da braucht niemand zu sagen, dass Federspiele nicht altern können. Deutliche Petrolnoten, herrliche Rieslingfrische. An diesem Abend, mit frischgedüngten Feldern rundum und einer Straße davor, einer Tankstelle in Reichweite, mit all den dazugehörigen Gerüchen, irgendwie passend ;-)
Und, Herr Landwein: auch Österreicher mögen Rieslinge mit Alterston. Jawoll!

Samstag, 22. Juli 2006

Tristan am Operettenrand in Erl

Nein nein, Sie sollen das jetzt nicht so verstehen, wie Sie es lesen.
Die Oper Tristan und Isolde, heuer erstmals im Spielplan der Tiroler Festspiele Erl, fügt sich wunderbar in den Reigen an Wagner-Inszenierungen, von Maestro Gustav Kuhn persönlich vorgenommen. Das Bühnenbild ergeht sich in spartanischen Andeutungen und ist dabei dennoch sehr publikumsfreundlich, aber das liegt ja auch an dieser Besonderheit hier: dass das Orchester hinter einem transparenten Stoffgebilde einsehbar auf dem hinteren Bühnenteil sitzt.

Und überhaupt das Orchester: es steigert sich von Jahr zu Jahr in seiner Präzision, die paar Verstimmungen in den Bläsern sind schnell überhört, aber die Streicher! Gestern so rund und weich und auch bei dieser vertrackten Pianissimostelle am Beginn des dritten Aufzuges ganz unfehlbar, dabei hört man in diesem Passionsspielhaus auch das allerfeinste Hüsteln, bis hinauf ins hohe Dachgebälk.

Auch die Sänger, tadellos, wiewohl sich immer tadeln ließe, über undeutliche Aussprache zum Beispiel, aber man hätte ja das Textbuch auswendig lernen können, wenn man sich keine erste bis fünfte Reihe leisten kann. Nur der Tristan, der war in der gestrigen Bsetzung dieser schwierigen Partie nicht gewachsen; im zweiten Aufzug schwächelte er neben der glanzvollen Isolde einigermaßen, vor allem bei den leisen Stellen, und so kam seine Liebes-Todessehnsucht mit der deplazierten Forschheit, die er benützte, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Stimme wegbräche, ziemlich unbeholfen daher, während Isolde fast demutsvoll, mit wunderbarem Timbre, in das Sehnen hineinwuchs.

Und im Verein mit den Kostümen, die im Gegensatz zur sparsamen Bühnenausstattung üppig biedermeierten, wurde einem bei den vielen punktieren Stellen im zweiten Aufzug, wo Tristan fast in ein jamtamtam hineinfiel, weil er die Spannung im Drübersingen nicht zustande brachte, fast operettig zumute.



Es blieb beim fast: Kurnewal im dritten Aufzug entschädigte für einen wenig heldenhaften Tristan, und Isolde starb ganz wunderbar.

Im übrigen finde ich, dass Erl der schönste Opernplatz der Welt ist.

Sie sind

Du bist nicht angemeldet.

Sie lesen:

Beiträge zu meiner real virtuality

sehsucht

Bitte-laeuten

Was gibt es Neues?

love
I saw a hope in the game. sex doll
ulovesexdoll - 2018-12-13 06:51
Wow, ich mag das Licht...
Wow, ich mag das Licht und die Anzüge! Vokalmusik ist...
karrri - 2014-06-24 12:18
einfach nur schön finden...
einfach nur schön finden geht auch
uferlos - 2011-10-08 00:28
lasst mir noch ein bissl...
lasst mir noch ein bissl zeit. vielleicht gibt es ein...
ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
Was gab's denn so wichtiges anderswo?
rinpotsche - 2011-10-07 00:37
!
!
books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
sang und klanglos :-(
profiler1 - 2011-10-06 21:55
Erwischt... und Sie fehlen...
Erwischt... und Sie fehlen...
katiza - 2011-10-06 10:34

wo?

angel underline de ätt kufnet dot at

Suche

 

Status

Online seit 6733 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2021-07-15 02:08

Credits

Web Counter-Modul

kostenloser Counter


adventkalender
aus dem arbeitsleben
aus dem kulturbeutel
aus dem reich der sinne
Autofahrer unterwegs
begebenheiten
blogweise
einfach zum nachdenken
es wird ein wein sein
farben
filmblicke
fundsprüche
gehört
gelebt: kitsch und literatur
gelesen
geschichten aus dem großraumwagen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren